Mehr Mut, bitte – und weniger Tools!

Storytelling in der PR

Kennen Sie die Microsoft Stories? Oder die Google Stories? Haben Sie sich die Nutella Stories angesehen? Die Fiat 500 Stories? Oder die Mazda Stories? Kampagnen, die uns Geschichten statt Fakten erzählen, finden sich derzeit überall. Petra Sammer gibt Tipps.

Wissen Sie, dass SAP die Position des Chief Storytelling Officers in der Unternehmenskommunikation eingeführt hat? Oder dass Sie Journalisten unter der Adresse Storyful oder Stories-Unlimited sogar buchen können? Die neue Kommunikationsform des Storytellings hinterlässt ihre Spuren in der Struktur und Arbeitsweise von Corporate Communications und verändert massiv die Art und Weise, wie wir mit Kunden und Stakeholdern sprechen.

Und Sie haben sicher von Tools wie Storybuilder, Storyteller, Storytoolz, Storybird , Adobe Story, Google Story Builder oder Amazon Storyteller gehört, oder? Sie alle versprechen uns, mit nur wenigen Handgriffen zu besseren Storytellern zu werden.

Es scheint also, als ob unsere Branche nicht genug von Storytelling bekommen kann. Dabei ist ein differenzierter Umgang mit dem Begriff, meiner Meinung nach, dringend geboten. Denn nicht bei allem, wo „Story“ drauf steht, ist auch „Story“ drin. Was die oben genannten Tools beispielsweise betrifft: Viele von ihnen helfen uns, Informationen aus dem Netz und aus unterschiedlichen Quellen zu aggregieren, auf einer Plattform zu bündeln und visuell ästhetisch aufzubereiten. Sehr hilfreich. Doch dies ergibt noch lange keine Geschichte. Wenn wir, wie im englischen Sprachgebrauch üblich, unter „Story“ lediglich verstehen, dass wir Fakten logisch und mit einem leicht verständlichen roten Faden aneinander reihen und hübsch bebildern, werden wir der eigentlichen Bedeutung des Fachbegriffs „Storytelling“ nicht gerecht. Eine animierte Infographik oder eine bunte Bilderstrecke machen noch lange kein visuelles Storytelling aus.

Das narrative Konzept

Wer Storytelling also als neue Kommunikationstechnik einsetzten möchte, der braucht mehr als nur gute Tools. Er braucht vor allem Mut. Mut, um sich auf ein narratives Konzept einzulassen, dass nicht von Journalisten, sondern vor allem von Schriftstellern und Drehbuchautoren definiert wurde. Mut, um sich zum Beispiel auf nur eine Hauptfigur in der Geschichte zu reduzieren und nicht dauernd über seine Zielgruppe zu sprechen. Mut, nicht selbst der Held in der Geschichte zu sein, sondern sich zugunsten einer interessanteren Figur zurück zu nehmen. Mut, um den Konflikt, in der sich der Held der Geschichte befindet, zentral in den Mittelpunkt zu stellen, anstatt ausführlich die eigene Lösung anzupreisen und damit Regel Nummer eins des Animationsstudios Pixar zu beherzigen: „We admire a character for trying more than for their successes.“

In der PR bezeichnen wir uns gerne als Storyteller. Und mit dem derzeitigen Boom des Begriffs fühlen wir uns in der PR, im Vergleich zu allen anderen Kommunikationsdisziplinen, besonders angesprochen. Schließlich helfen wir Journalisten, eine Geschichte zu finden und unterstützen Unternehmen und Marken ihre eigene Geschichte zu erzählen.

Doch eine Geschichte fällt erst dann auf, zieht uns in ihren Bann und bleibt in Erinnerung, wenn sie uns auch emotional berührt. Und genau das ist es, was der PR aufgrund ihrer Orientierung am Journalismus bisher fehlt. Um bessere Geschichten zu erzählen, müssen wir nicht nur logisch und bildreich informieren, sondern mehr Herz und Leidenschaft in eine Geschichte packen. Weniger auf technische Plattformen und Tools vertrauen und uns stattdessen mehr mit den Regeln von Literatur und Film vertraut machen.

Vor allem aber müssen wir aufhören so zu tun, als ob Storytelling die Antwort auf jede Kommunikationsaufgabe ist. Um die Herausforderungen zu bewältigen, denen sich die Unternehmenskommunikation und das Marketing heute stellen, gibt es zahlreiche Techniken und Taktiken. Storytelling ist eine davon. Doch die Geschichten übers Storytelling, die wir uns gegenseitig erzählen, sind derzeit eben die attraktivsten. Also dann doch: bitte mehr davon!

 

Klicktipp in eigener Sache:

Auch wir haben Mut bewiesen und uns im multimedialen Storytelling ausprobiert, um künftig Geschichten noch eindrucksvoller erzählen zu können.

Unsere erste Multimediareportage zur Produktion unseres 100. Magazins, passenderweise zum Thema “Mut”.

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