Männer sind anders – Frauen auch. Alles nur ein Missverständnis?

Frau Bührmann, in Ihrem Forschungsprojekt „Frauen an die Spitze?“ haben Sie gemeinsam mit Ihren Studierenden die mediale Darstellung von erfolgreichen Frauen in Führungspositionen analysiert. Inwiefern beeinflussen „natürlich gegebene Geschlechterdifferenzen“ Führungsstile, Motive und Entscheidungen von Frauen? 

Andrea Bührmann: Männer wie Frauen meinen sich in ihrem Führungsstil, ihren Entscheidungen und ihren Motivationen an vermeintlich natürlichen Geschlechterdifferenzen orientieren zu müssen und andere erwarten, dass sie sich daran orientieren. Dadurch aber werden Frauen benachteiligt und Männer privilegiert.

Woher kommen diese Stereotype über Managerinnen?

Im Hinblick auf Manager und Managerinnen werden in den Medien oft Stereotype über eine ‚eigentliche‘ Natur der Geschlechter aufgegriffen. Sie haben eine lange Tradition: Seit dem Beginn der Aufklärung ging man davon aus, dass sich der weibliche vom männlichen Körper fundamental in seiner physiologischen und psychischen Natur unterscheidet: Mit dieser Unterscheidung begründete man wiederum eine ‚natürliche‘ Arbeitsteilung, nach der die Frau in der Familie als Hausfrau, Ehefrau und Mutter und der Mann als Ernährer ‚seiner‘ Familie in der Öffentlichkeit zu wirken hatten. Diese Arbeitsteilung und die damit verbundene hierarchische Ordnung der Geschlechter ist spätestens mit dem Beginn der neuen Frauenbewegung infrage gestellt und vor allem seit den 1990er Jahren auch im Mainstream der Geistes- und Sozialwissenschaften intensiv hinterfragt worden.  

Was sind die Darstellungsmerkmale der von Ihnen unterteilten Stereotype von Managerinnen und Unternehmerinnen? 

Die Analyse der von uns untersuchten Portraits von Top-Managerinnen zeigt, dass in der Berichterstattung neben einer detaillierten Beschreibung des Kleidungsstils und der äußeren Erscheinung noch eine andere Unterscheidung entworfen wird. Es wird nämlich zwischen ‘Businessfrauen‘ und ‚Powerfrauen‘ unterschieden. Eine typische Businessfrau verkörpert demnach etwa eine Frau, die einen ‚Kurzhaarschnitt‘ trägt, eine eher ‚raue Stimme‘ hat, ‚forsch und bestimmt‘ wirkt und als ‚kämpferische‘ Frau gilt. Als Powerfrau werden dagegen Frauen vorgestellt, die zwar selbstbewusst, souverän, präsent wirken, aber äußerlich sehr weiblich wirken: Sie tragen ein körperbetontes Outfit, üppigen Schmuck, oft blonde, mindestens aber lange Haare und werden so – wie wir in unserer Analysen fanden – als ‚unbeschreiblich weiblich‘ beschrieben.

Gibt es überhaupt einen weiblichen Führungsstil?

Ich glaube nicht, dass es einen weiblichen Führungsstil gibt. Was es gibt, sind unterschiedliche Führungsstile, die mal mehr oder mal weniger in bestimmten Situationen und Positionen zu passen scheinen. Die Vorstellung eines weiblichen Führungsstils, der dann oft als weniger aggressiv, weniger dominant und weniger kompetitiv beschrieben wird, geht darauf zurück, dass viele Menschen glauben, Frauen seien ‚so‘ und würden deshalb auch als Führungskräfte ‚so‘ handeln. Diese Vorstellung hat Nahrung dadurch erhalten, dass man in Studien zu geschlechtsspezifischen Führungsstilen oft männliche Führungskräfte in Top-Führungspositionen und weibliche Führungskräfte aus dem mittleren Management befragt hat. Und hier unterscheiden sich die Führungsstile sicherlich erheblich, aber das hat weniger mit dem Geschlecht, denn mit der Position in der unternehmerischen Organisation zu tun…

Kommunizieren Frauen anders als Männer?

Nein, aber auch hier wird dasselbe Gesprächsverhalten anders wahrgenommen. Frauen, die eindeutig und klar formulieren, was sie wollen, werden oft als ‚zu‘ hart und ‚zu‘ wenig kompromissbereit, ja manchmal als ‚zu‘ kalt wahrgenommen, während Männer dann als besonders durchsetzungsfähig und erfolgreich gelten. Andersherum werden aber auch Männer durch diese Erwartungshaltungen oft gezwungen, aggressiver, lauter und härter zu kommunizieren als sie es denn selbst wollen.

Zur Person:

Andrea Bührmann ist die Direktorin des Instituts für Diversitätsforschung an der Universität Göttingen. Gemeinsam mit Studierenden wertete sie biografische Porträts von erfolgreichen Männern und Frauen in Top-Führungspositionen aus, die von 2007 bis 2012 in überregionalen Zeitungen und Zeitschriften erschienen sind.

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