Machtspiele erkennen und gewinnen

Karriere

Machtspiele haben einen miserablen Ruf. Sie gelten als unfair und rücksichtslos. Wer etwas Gutes über eine Führungskraft sagen will, der behauptet, sie könne auf Machtspiele verzichten. Wie jedes gute Kompliment ist das halb gelogen. Denn es macht sich kaum jemand Illusionen: Wo Macht ist, da sind auch die Machtspiele nicht fern. Und wer sie nicht zu spielen versteht, der wird sich bald verabschieden müssen von der Macht.

Was zeichnet Machtspiele überhaupt aus? Es sind drei Merkmale. Erstens folgen sie bestimmten Regeln, es gibt typische Spielzüge und Gegenzüge. Zweitens gibt es immer eine gewisse Doppelbödigkeit, einen Widerspruch zwischen dem, was gesagt wird, und dem, was tatsächlich geschieht. Und drittens geht es letztlich darum, den eigenen Willen durchzusetzen.

Dabei müssen Machtspiele keineswegs immer unmoralisch und böse sein; sie können auch legitim, sportiv, ja geradezu charmant sein. Es können beide Seiten profitieren. Wie beim Machtspiel „Die Marionette führt“. Da wird derjenige, der vermeintlich die Fäden in der Hand hält − sagen wir: der Chef −, sachte von einem Untergebenen in die richtige Richtung gelenkt. Ganz einfach, weil der sich besser auskennt.

Es muss allerdings der Anschein gewahrt bleiben, es sei der Chef, der hier entschieden hat. Sonst gilt der als entscheidungs- und führungsschwach. Und daran hat niemand ein Interesse. Schon gar nicht diejenigen, die ihren Vorgesetzten so taktvoll zu lenken verstehen. Doch solche Win-win-Konstellationen sind die Ausnahme. Meist setzt sich die eine Seite auf Kosten der anderen durch. Indem sie droht, indem sie einschüchtert, indem sie virtuos auf der Klaviatur der Gefühle spielt. Unsere Emotionen sind eine weithin unterschätzte Quelle von Macht.

Warmherzigkeit, Sympathie und Stolz lassen sich ebenso für die eigenen Interessen einspannen wie Rache-, Angst- oder Schuldgefühle. Das eröffnet unzählige Möglichkeiten, die Gegenseite unter Druck zu setzen. Ob Sie sich als beklagenswertes Opfer inszenieren, als idealistische Anwältin der guten Sache oder als rücksichtsloser Machtmensch. Wie erfolgreich Sie damit sind, hängt von vielen Faktoren ab, vor allem aber von der „Spielkultur“, die in Ihrer Organisation vorherrscht.

Das gilt zum Beispiel für eines der häufigsten Machtspiele: die „Kunst der Drohung“. Nun stehen Drohungen nicht gerade in hohem Ansehen. Doch ohne wohldosierte Drohungen kommen wir gar nicht aus. Wir müssen sie in die Welt setzen und die unserer Mitmenschen deuten. Wir brauchen Drohungen, um uns Respekt zu verschaffen, wenn jemand unsere Interessen missachtet, sich nicht an Absprachen hält oder uns schlecht behandelt. Richtig drohen heißt: siegen, ohne zu kämpfen. Es geht um Konfliktvermeidung.

Wann Sie Ihre Drohung tarnen sollten

Drohungen haben eine sehr einfache Struktur: Wenn Sie mir drohen, geben Sie mir zu verstehen: Entweder tun Sie dieses oder es geschieht jenes. Wobei dieses und jenes zu den Dingen gehören, die mir beide nicht recht sind. Sie verknüpfen zwei Übel, damit ich das kleinere wähle. Denn dieses kleinere Übel ist das, was Sie erreichen wollen. Während Sie das größere Übel (mit dem Sie mir drohen) vielleicht ebenso gerne vermeiden wollen wie ich. Aber ich habe die Wahl.

Offene Drohungen belasten die persönliche Beziehung und werden in vielen „Spielkulturen“ nicht geduldet. Dann müssen Sie Ihre Drohung tarnen, vielleicht als Ankündigung, als „guten Rat“ oder als Befürchtung („Ich habe Sorge, dass dann Folgendes passiert …“). Andernorts dringen Sie mit solch subtilen Andeutungen nicht durch. Sie müssen wissen, wie gespielt wird.

Wer zu stark droht, begeht jedoch einen schweren taktischen Fehler. Solche Drohungen werden oft nicht geglaubt. Und dann müssen Sie Ihre Ankündigung in die Tat umsetzen. Sie sind zum Gefangenen Ihrer eigenen Drohung geworden. Das Machtverhältnis ist gekippt. Daher sprechen manche lieber unbestimmte Drohungen aus. Denn die verpflichten ja zu nichts und machen dennoch Angst. Erfahrene Machtspieler durchschauen jedoch solche Manöver und ­lassen sich davon nicht beeindrucken. Das führt uns zu der Frage: Wie können Sie auf dieses Machtspiel reagieren?

Sie könnten sich fügen, die Drohung aber öffentlich machen und sich als das Opfer eines hemmungslosen Machtmenschen stilisieren. Oder Sie fügen sich, tun aber nicht das, was von Ihnen verlangt wird, sondern etwas Ähnliches. Oder Sie nennen die Drohung eine Drohung und erklären selbstbewusst, dass sie sich deshalb nicht darauf einlassen können.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe SPIELEN. Das Heft können Sie hier bestellen.

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