Hayalis Regeln gegen den Hass

Keynote Dunja Hayali

Es könnte so schön sein: Eigentlich seien, das betont Dunja Hayali mehrmals zu Beginn ihres Vortrags, Internet und Social Media „ein absoluter Gewinn“ für Demokratie und gesellschaftliche Verständigung. Wären da nicht die Trolls, die Aggressiven, die Pöbler. Ihr Appell: „Wir dürfen das Netz und alles andere nicht den Lauten überlassen.“ Ihre persönliche Strategie im Umgang mit Hatespeech hat sie deshalb in zwölf Regeln eingeteilt. Hier ist eine Auswahl.

Nicht wegducken, hinsehen

„Am liebsten würde ich mir manchmal zu Hause die Decke über den Kopf ziehen und sagen: Macht das mit eurem Internet doch alleine“, gibt die Journalistin zu. Irgendwann habe man keine Lust mehr, beleidigende Kommentare über sich ergehen zu lassen. Und ein Austausch mit anderen lohne ja nur, wenn beide Seiten tatsächliches Interesse an einem solchen haben. Dennoch sei das Verschließen der Augen keine Alternative, denn: „Wir müssen beobachten, was da läuft, wissen, in welche Richtung sich das Ganze entwickelt, wogegen wir vorgehen müssen.“ Das erfordere Mut.

„Sie können sich über eine Sache sicher sein“, ergänzt Hayali, „selbst wenn Sie nicht genau hinschauen – andere tun es.“ Die stillen Leser würden die Diskusverschiebung wahrnehmen. Die Deutungshoheit solle man sich nicht aus der Hand nehmen lassen.

Differenzieren

Auf Beobachtung folgt Reaktion. In gleicher Manier wie die Pöbler zu antworten, liegt Hayali fern – auch wenn das manchmal der erste Impuls sein kann. „Man muss aufpassen, dass man nicht die gleichen Waffen nutzt.“ Trüge ihre Antwort nur einen Funken Aggressivität in sich, habe sie den Shitstorm auf ihrer Seite.

Jeder von uns wisse intuitiv, was Hatespeech sei. Gewaltfantasien und Drohungen seien natürlich indiskutabel, sagt Hayali. Dennoch sollte man es sich nicht zu leicht machen, indem man Fälle „in der Grauzone“ sofort blockt: „Es gibt ganz viele Menschen, die sind noch erreichbar, ansprechbar. Man muss nur wissen, wie man auf sie zugeht.“

Die Netiquette gilt

Auch wenn so mancher sich langsam bereits an die rohe Sprache gewöhnt hat, Hayali betont: „Man muss nicht alles hinnehmen.“ Dazu zitiert sie ein noch nicht rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Frankfurt, demzufolge 30 Tage Facebook-Sperre wegen eines Hasskommentars zulässig ist. Solche Entscheidungen belegen: „Netiquette hat Durchsetzungskraft“.

Die Richtlinien für die eigene Seite irgendwo zu kopieren, sei aber zu kurz gedacht. „Sie müssen wissen, wer sich auf Ihrer Seite bewegt. Stimmen Sie Ihre Netiquette auf Ihr Publikum, Ihr Unternehmen ab und setzen Sie sie rigoros um – die Leute tanzen Ihnen sonst auf der Nase herum!“

Auch wenn Freunde und Familie den Kopf darüber schüttelten, gelte für ihre eigenen Kanäle: „Ich lese fast alles – immer noch.“

Ressourcen schaffen, Verantwortung übernehmen

Um die verfügten Rahmenbedingungen umzusetzen, braucht es Manpower. Die Zuständigen dürfe man keinesfalls alleine lassen. „Dann schreibt halt jemand: ‚Fick dich ins Knie, morgen bringe ich dich um!‘ Da lächeln Sie vielleicht kurz drüber. Aber nicht lange“, sagt Hayali. Noch heikler werde es, wenn der Mitarbeiter eines angegriffenen Unternehmens eine Nachricht bekommt: „Ich weiß, wo du wohnst“. Daher der Aufruf der Journalistin: „Kümmern Sie sich um die Menschen, die sich um die Seiten kümmern!“ Das gehöre zur Sorgfaltspflicht. „Die Verantwortung, sich nicht zum Handlanger der Hassenden zu machen, ist nicht delegierbar.“

Haltung zeigen – auch im Netz

Die virtuelle Welt ist keine entkoppelte Sphäre. Personen, die sich im Netz auf diese Weise äußerten, seien auch überall im „echten Leben“ anzutreffen. Hayali beschreibt ihren Spießrutenlauf vor Ort nach den Vorfällen in Chemnitz. „Die Sprache aus dem Netz sehen, hören, spüren wir auch auf der Straße. Das wissen auch Polizisten, Feuerwehrleute.“ Sich herauszuhalten ist daher in ihren Augen keine Option.

Nicht schweigen!

Daran knüpft die nächste Regel an: „Wir müssen klarmachen, wir sind mehr. Wir müssen Hass und Hassenden Grenzen aufzeigen.“ Manche ihrer Angreifer haben sich darauf eingelassen, Hayali ihre Telefonnummer zu geben. Mit drei von ihnen hat sie sich getroffen. „Es ist ganz erstaunlich: Ganz oft geht es ihnen um Wertschätzung und Anerkennung.“ Sie habe erstaunliche Effekte beobachtet, wie es im persönlichen Gespräch gelingen könne, die Menschen „von der Palme zu holen“. Dass das auf diese Weise besser gelinge als in der virtuellen Welt, erklärt sich Hayali auch über das dortige Fehlen von Intonation, Mimik und Gestik.

Besser Fakten als Humor

Faktenorientierte Kommunikation ist hilfreich, um den Hasskommentatoren entgegenzutreten. Manchmal helfe, sagt Hayali, aber auch Sarkasmus oder ein Witz. „Wobei – der wird oft nicht verstanden. Jeder kleine Witz wird gleich zu einem Riesenskandal.“

Konsequent handeln

„Das Leben ist kein Ponyhof – das Internet auch nicht.“ Hayali (mehr als 400.000 Follower auf Twitter) hat rund 1.400 Follower auf Twitter geblockt, denn: „Hass ist keine verdammte Meinung und hat auch keine Meinungsfreiheit verdient. Niemand muss sich diesem Quatsch aussetzen.“ Wird es ganz schlimm, rät die Journalistin, sich der Rechtsmittel zu bedienen, Stichwort NetzDG. Sie selbst sei zweimal juristisch gegen Beleidigungen vorgegangen. „Seien Sie sich so gut wie sicher, dass sie gewinnen.“

Aus- und abschalten können

Dunja Hayalis letzte Regel beschäftigt sich mit dem Thema Abgrenzung. „Es gibt einen Aus-Knopf. Jeder sollte wissen, wann er an einen Punkt gekommen ist, an dem er eine Auszeit nehmen sollte.“

Auch wenn die Moderatorin ihr Regelwerk souverän und mit einer gewissen Lässigkeit vorträgt, sie selbst kennt die Konsequenzen ständiger Hatespeech-Konfrontation gut: „Dieser ganze Mist macht was mit einem. Deswegen ist es ganz gut, soziale Medien zwischendurch soziale Medien sein zu lassen.“

Lesen Sie mehr Berichte und Interviews vom Kommunikationskongress 2018 in unserem Dossier (hier klicken).

 

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