Gute Seiten, schlechte Seiten

CSR vs. Greenwashing

Es gibt Produkte, die sind in der öffentlichen Meinung alles andere als wohlgelitten. Manche sind − im Übermaß − gesundheitsgefährdend, manche potenziell umweltschädlich, manche ethisch fragwürdig. Ihre Hersteller und Verkäufer wissen um den schlechten Ruf und versuchen, ihm strategisch-kommunikativ entgegenzuwirken, sich gar als Vorbild zu inszenieren.

In den Augen von Ethik-Experten wie Nick Lin-Hi klingt jedoch vieles nach Greenwashing. Lin-Hi ist Professor für Wirtschaft und Ethik, er lehrt an der Universität Vechta. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehört neben CSR-Management auch unternehmerisches Fehlverhalten. Ihm zufolge werden bestimmte Strategien besonders dann als heuchlerisch wahrgenommen, wenn es offensichtlich ist, dass das Gute, das ein Konzern unternimmt, das Schlechte verdecken soll. Ein Produkt wie die Zigarette, das effektiv gesundheitlichen Schaden anrichte, als gutes Produkt zu positionieren, könne nicht gelingen, meint Lin-Hi.

„Nicht alles, was tatsächlich gute Absichten verfolgt, muss bei Unternehmen mit schlechtem Image pures Greenwashing sein“, wirft gleichwohl Christoph Lütge ein, Professor für Wirtschaftsethik an der School of Governance der Technischen Universität München. Er rät solchen Firmen, zum einen transparent zu zeigen, wo die Grenze zwischen ihrem sozialen Engagement und dem reinen PR-Nutzen liege. Zum anderen gelte für jeden Versuch, das Image der „Bad Boys“ zu polieren: Je drastischer sich das Missverhältnis zwischen „schlechtem Produkt“ und „gutem Zweck“ darstelle, desto unglaubwürdiger sei die Kampagne, sagt Lütge.

Öl

(c) Thinkstock/kodda

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Dass ein Ölkonzern mitunter ein wenig schmierig daherkommt, liegt in der Natur der Sache. Manchmal wird das Produkt jedoch zum Problem: Die Explosion der Bohrplattform Deep­water Horizon kostete den BP-Konzern vor sieben Jahren massiv Renommee. Und am Shell-Konzern klebt der Skandal um die Plattform Brent Spar vor 22 Jahren wie Dieselöl an Gefieder. Dass die alle zwei Jahre von der Deutsche Shell veröffentlichte, hoch angesehene „Shell Jugendstudie“ daran etwas ändert, ist zweifelhaft. Die Studie untersucht, unter welchen politischen und sozialen Bedingungen Jugendliche heute aufwachsen.

Fast Food

(c) Thinkstock/villagemoon

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Manche Lebensmittelhersteller haben einen schwierigen Stand. Dass der Fast-Food-Champion McDonald‘s „aus Respekt vor der Umwelt“ das Firmenlogo in Deutschland und Österreich von Rot auf Grün geschaltet hat, ist nichts weiter als Greenwashing.

Da hat eine Idee von Coca-Cola schon mehr Substanz: In den USA vertreibt das Unternehmen neuerdings laktosefreie Milch mit Namen „Fairlife“ – was allerdings nur ein kleiner Tropfen auf Coca-Colas gezuckerten ­Boden ist.

Süßwaren

(c) Thinkstock/yuizzz

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Mars ist in der Öffentlichkeit zwar vor allem als süßer Schokoriegel bekannt. Der gleichnamige Konzern produziert jedoch unter anderem auch Kaugummis. Mit seinem „Wrigley Oral Healthcare Program“ engagiert sich der Konzern für bessere Zahngesundheit. Das wirkt zwar so wie ein Boxer, der seinem geprügelten Gegner immer wieder ein Pflaster aufklebt. Aber das Engagement als solches ist ernst gemeint.

Das Gleiche gilt – wenn es auch auf den ersten Blick ähnlich kurios anmuten mag – für den Kampf gegen Mangelernährung: Mit dem African Orphan Crops Consortium, einem Konsortium für ­vernachlässigte Nutzpflanzen, hat Mars 2013 die African Plant Breeding Academy gegründet.

Das Ziel: Rund 100 ursprüngliche, aber bislang von der Forschung vernachlässigte Nutzpflanzen Afrikas sollen durch gezielte Zucht klimaresis­tenter und nahrhafter gemacht werden.

Über ein nicht wegzudiskutierendes Problem vermag all das nicht hinwegzutäuschen: die fehlende Konsumentenaufklärung. Nichtregierungsorganisationen wie Foodwatch prangern die Zucker-Lobbyisten regelmäßig an. Erst diese Woche beispielsweise erhielt der Babynahrungshersteller Alete den Schmähpreis “Goldener Windbeutel” für einen Kinderkeks, dessen Zuckeranteil an “Körperverletzung durch Irreführung” grenze.

Foodwatchs generelle Kritik: In Deutschland würden sie systematisch Fehlinformationen zum Kalorienverbrauch und Ernährungsverhalten verbreiten, lautet eine Kritik: „Anstatt sich an die Fakten zu halten, versucht der Lobbyverband immer wieder zu manipulieren und zu täuschen – und schreckt auch nicht davor zurück, Politiker des Deutschen Bundestags anzulügen“, behauptet Foodwatch.

Tabak

(c) Thinkstock/Ingram Publishing

(c) Thinkstock/Ingram Publishing

Das Geschäft mit Zigaretten ist kontrovers, die Gefahren für die Gesundheit sind bekannt. Dass es dennoch geradezu floriert, dafür sorgen nicht etwa neue Optionen wie ­E-Zigaretten, sondern weiterhin klassische Tabakprodukte. Zwischen 2011 und 2016 ist der weltweite Verkaufswert, den die Tabakindustrie pro Jahr mit Zigaretten einnimmt, um gut 21 Prozent auf 683,4 Milliarden Dollar gestiegen. Der Zigarettenriese Philip Morris ist so zukunftssicher, dass er bis Ende 2018 in Dresden für 300 Millionen Euro eine neue Fabrik bauen will.

Von weniger Rauchen also keine Spur. Auf den ersten Blick merkwürdigerweise ist ausgerechnet Philip Morris Mitte September 2017 auf den weltweiten Zug der Anti-Rauch-Initiativen aufgesprungen: Mit einer Milliarde US-Dollar fördert der Konzern eine unabhängige Stiftung, die erforschen soll, wie die Gefahren des Rauchens einzudämmen sind. Die Stiftung soll in den kommenden zwölf Jahren jährlich 68 Millionen Euro erhalten. Was zunächst wie kaufmännischer Selbstmord klingt, ist ernst gemeint: Die „Foundation for a Smoke-Free World“ soll das Tabak­rauchen weltweit beenden und Alternativen erforschen. Praktischerweise vertreibt der Konzern eine solche Alternative in Form eines Tabakerhitzers selbst.

Philip Morris als Vorbild für gelungene Läuterung? Dass der Konzern ausschließlich hehre Absichten hegt, glaubt längst nicht jeder. So hat sich die Weltgesundheitsorganisation kürzlich eindeutig von der Initiative des Tabakkonzerns distanziert und dessen Forschern „klare Interessenkonflikte“ vorgeworfen. Die WHO fordert Regierungen und Fachgemeinschaft auf, nicht mit der Stiftung zu kooperieren. Stiftungsgründer Derek Yach, früher selbst für die WHO tätig, zeigte sich „tief enttäuscht“.

Alkohol

(c) Thinkstock/boule13

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Anstrengungen zur Steigerung der eigenen Reputation unternehmen auch Alkoholhersteller. So will beispielweise Beam Suntory, das drittgrößte Spirituosenunternehmen der Welt, mit seiner Plattform „drink­smart.com“ die Initiative des Bundesverbands der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure (BSI) „Massvoll genießen!“ nicht nur ergänzen. Beam Suntory möchte zudem über Alkohol, Gesundheit, Nüchternheit und Jugendschutz noch besser informieren und aufklären. Demgegenüber steht die Tatsache, dass der Alkoholkonsum der Deutschen in den vergangenen Jahren stabil geblieben ist – und zwar auf hohem Niveau.

Waffen

(c) Thinkstock/MariuszBlach

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83 Prozent der Deutschen lehnen Produkte der Waffen- und Rüstungskonzerne laut Emnid ab. In der Waffenindustrie bemüht man sich erst gar nicht groß um Schönwettermacherei. Hier geht es weniger um Tugend als vielmehr um Technik. Ein „schlechtes Image“ entsteht beispielsweise beim Pistolen- und Maschinengewehrhersteller Heckler & Koch weniger durch die Zahl erschossener Lebewesen als durch technische Pannen – wie zuletzt beim Gewehr G36, das wegen Fehlfunktionen in die Kritik geraten war.

Rüstungskonzerne suchen parallel nach weiteren Gewinnmöglichkeiten. So will Rheinmetall neben Kanonen für Kampfpanzer künftig auch Elektromotoren für E-Bikes herstellen. Dafür gründete der Düsseldorfer Konzern das Start-up Amprio. Es soll künftig als Systemanbieter eine selbstentwickelte Antriebseinheit samt Batteriepack, Display und Bedieneinheit im Baukastensystem anbieten. Es handelt sich also durchaus um ein „grünes“ Geschäftsfeld.

Dass es bei den als „böse Buben“ der Industrie Kritisierten gar nicht so sehr aufs ständig gute Image ankommt, liegt letztlich an denjenigen, die dort arbeiten. So lockt die Rüstungsindustrie mit Hightech und gutem Gehalt. Und auch Manager in der Tabak-, Alkohol- und Glücksspielbranche verdienen einer britischen Studie zufolge bis zu 30 Prozent mehr als in anderen Industriezweigen. CEOs der Tabakfirmen erhalten mit durchschnittlich 480.000 US-Dollar einen viel höheren Aufschlag pro Jahr als ihre Kollegen in „unkritischen“ Unternehmen.

Ein weiteres interessantes Ergebnis einer Umfrage unter angehenden Führungskräften in der Wirtschaft lautet: Jeder dritte deutsche Wirtschaftsstudent würde bei einem Unternehmen mit schlechtem Image arbeiten.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe VORBILDER. Das Heft können Sie hier bestellen.

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