Großbritannien startet Kampagne zur Reduzierung von Übergewicht

Diskussion um Werbeverbot für Junk-Food

Covid-19-Patienten besitzen ein erhöhtes Risiko, einen schweren Verlauf zu erfahren, wenn sie Vorerkrankungen aufweisen. Herz- und Kreislauferkrankungen, Diabetes und Krebs gehören zu den Risikofaktoren genauso wie ein deutliches Übergewicht. Menschen, die unter Adipositas leiden, besitzen wiederum eine höhere Wahrscheinlichkeit, eine der erwähnten Erkrankungen zu bekommen. Der aufgrund einer Covid-19-Erkrankung in einer Klinik behandelte britische Premierminister Boris Johnson führt seinen schweren Verlauf auf Übergewicht zurück. „I was too fat“, sagte er in einem Video.

Die Kontaktbeschränkungen sowie die Schließung von Kitas, Schulen und Sporteinrichtungen ab Mitte März hatten zur Folge, dass es Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen erschwert wurde, sich zu bewegen. Der Schulsport fiel aus. Sport im Verein war ebenfalls nicht mehr möglich. Der Aufenthalt im Freien und auf Spielplätzen war nur begrenzt erlaubt oder komplett untersagt. Fitness-Studios waren geschlossen genauso wie Restaurants, während Fast-Food-Imbisse geöffnet blieben.

Der Rückzug ins Homeoffice ging damit einher, selbst kochen zu müssen. Bei der Ernährung dürfte in dieser Zeit in vielen Haushalten der Fokus eher auf Pragmatismus denn auf Ausgewogenheit gelegen haben. Aufgrund des Bewegungsmangels wurden Kalorien nicht verbrannt. Die Annahme liegt nahe, dass sich die Kombination aus ungesunder Ernährung und Bewegungsmangel negativ auf das Gewicht von Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen ausgewirkt hat. Die TV- und Mediennutzung wiederum stiegen, was mit dem Konsum von mehr Werbung und damit auch Werbung für Junk-Food, Softdrinks und Süßigkeiten einherging.

Werbeverbot bis 21 Uhr

Vor diesem Hintergrund hat die Regierung in Großbritannien jetzt beschlossen, ein TV-Werbeverbot für Lebensmittel mit hohem Fett-, Salz- und Zuckergehalt einzuführen. Das Verbot soll vor 21 Uhr gelten – und damit vor allem verhindern, dass Kinder- und Jugendliche derartige Werbung zu sehen bekommen. Zusätzlich sollen die in Großbritannien beliebten Angebote wie „Buy one get one free“ für ungesunde Lebensmittel verboten werden. Süßigkeiten als sogenannte Quengelware im Kassenbereich zu platzieren, soll in britischen Einkaufsmärkten nicht mehr erlaubt sein.

Die Maßnahmen gehen einher mit einer Kampagne. Die „Better Health Campaign“ verfügt über ein Budget von zehn Millionen Pfund. Sie umfasst TV- und Online-Spots, Radio- und Social-Media-Werbung sowie Out-of-Home Advertising. Gleichzeitig verspricht die Regierung, Apps zur Verfügung zu stellen, die es ermöglichen, gesünder zu leben. Die Maßnahmen sollen speziell die Bevölkerungsgruppen und Regionen adressieren, in denen Übergewicht und schwere Covid-19-Verläufe besonders häufig vorkommen. Die britische Regierung nennt „Communities“ mit einem hohen Anteil von Schwarzen und mit Menschen mit einem asiatischen Hintergrund als Beispiele.

Die Diskussion um ein Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel hat inzwischen auch die deutsche Politik erreicht. Kirsten Kappert-Gonther, Sprecherin für Gesundheitsförderung der Grünen im Bundestag, sagte gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), dass Werbung für stark zuckerhaltige Produkte und ungesunde Lebensmittel strenger reguliert werden müssten. Sie fordert einen besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Werbung für ungesunde Produkte, „die nicht den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation für ausgewogene Ernährung entsprechen“. Eine freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie reiche ihrer Meinung nach nicht aus. Sie verlangt klare gesetzliche Vorgaben.

Julia Klöckner (CDU), als Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft zuständig, zeigte sich gegenüber einem Werbeverbot offen. „Ich meine, wir müssen an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung stärker in den Blick nehmen“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Bislang verfolgt Klöckner den Ansatz, die Lebensmittelindustrie im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung zu weniger Zucker, Salz und Fett in fertigen Lebensmitteln zu bewegen.

53 Prozent übergewichtig

Dem Statistischen Bundesamt zufolge waren im Jahr 2017 etwa 53 Prozent der Menschen über 18 Jahren in Deutschland übergewichtig, was bedeutet, dass sie einen Body-Mass-Index von mindestens 25 aufwiesen. Mit 62 Prozent sind Männer häufiger als Frauen (43 Prozent) zu dick. Das Bundesgesundheitsministerium bezeichnet Übergewicht und Adipositas in Deutschland als „ein ernst zu nehmendes Problem“. 8,7 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen 3 und 17 Jahren seien übergewichtig; 6,3 Prozent gelten als adipös, was Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes, Gelenkprobleme oder Depressionen fördern könne, so das Ministerium. Untersuchungen in Großbritannien zeigen bei Kindern- und Jugendlichen noch einmal deutlich höhere Zahlen.

 

 

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