Der Chemiekonzern Bayer hat eine externe Anwaltskanzlei damit beauftragt, Vorwürfe rund um möglicherweise illegale Personenlisten des Glyphosat-Herstellers Monsanto in Frankreich zu klären. Außerdem hat das Unternehmen um Entschuldigung für die Vorgänge gebeten.
Die französische Niederlassung des seinerzeitigen US-Unternehmens Monsanto steht unter Verdacht, ab 2016 – vor der Übernahme durch Bayer – eine geheime Liste mit Kritikern und Unterstützern der Firma und ihrer Produkte angelegt und damit gegen französische Gesetze zur Erfassung privater Daten verstoßen zu haben.
Die PR-Agenturen Fleishman Hillard und Publicis hätten demnach die Liste im Auftrag Monsantos erstellt.
Monsanto-Liste: rund 200 Personen erfasst
Auf der Liste sollen rund 200 Journalisten, Politiker und Wissenschaftler aus Frankreich stehen. Je nach öffentlichem Einfluss und Grad der Gegnerschaft gegenüber Monsanto seien die Personen mit Noten zwischen 0 und 5 bewertet worden. Außerdem habe die Liste die privaten Adressen, Telefonnummern und sogar Hobbys umfasst.
Zu den Betroffenen gehören unter anderem Umweltwissenschaftler, Redakteure angesehener französischer Medien, aber auch prominente Politikerinnen wie etwa Ségolène Royal, ehemalige Präsidentschaftskandidatin sowie zwischen 2014 und 2017 Umweltministerin Frankreichs. Die erfassten Personen wurden dabei in Kategorien wie „Verbündete“, „Potenzielle Verbündete zum Rekrutieren“, „Zum Erziehen“ und „Zu Beobachten“ eingeteilt.
Le Monde und ein Journalist der Zeitung haben Klage gegen die Monsanto-Liste und damit gegen Bayer eingereicht. Die Staatsanwaltschaft Paris leitete Vorermittlungen ein.
Bayer-Erklärung: Verständnis, Entschuldigung, Verpflichtung
In einem offiziellen Statement hat Bayer Verständnis für die Kritik geäußert, Aufklärung zugesagt und um Entschuldigung gebeten:
„Nach einer ersten Analyse verstehen wir, dass ein solches Projekt Bedenken und Kritik ausgelöst hat. Dies ist nicht die Art, wie Bayer den Dialog mit unterschiedlichen Interessengruppen und der Gesellschaft suchen würde. Wir bitten daher um Entschuldigung.“
Bayer werde die staatsanwaltlichen Ermittlungen „selbstverständlich“ und „vollumfänglich“ unterstützen und die Betroffenen über die jeweils gespeicherten Daten informieren.
Der neu geschaffene Unternehmensbereich „Public Affairs und Nachhaltigkeit“ werde unter Leitung von Matthias Berninger die interne Aufklärung vorantreiben und das Verhalten aller Beteiligten überprüfen. „Höchste Priorität hat dabei, Transparenz zu schaffen“, so der Chemiekonzern.
Die Zusammenarbeit mit den betreffenden Agenturen sei bereits beendet worden. Außerdem bekräftigte Bayer die Verpflichtung zu fairem Umgang mit allen Interessengruppen.
Monsanto-Übernahme für Bayer keine Erfolgsgeschichte
Monsanto – Hersteller der hochumstrittenen Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat – gehört seit Juni 2018 zu Bayer. Der deutsche Konzern hat das US-Unternehmen für über 60 Milliarden US-Dollar gekauft, die größte Übernahme der deutschen Wirtschaftsgeschichte.
Bislang war der Kauf Monsantos keine Erfolgsgeschichte. In den USA laufen wegen der angeblich krebserregenden Wirkung von Glyphosat über 13.000 Klagen gegen Bayer. Die Prozessrisiken werden auf etliche Milliarden Dollar geschätzt.
Außerordentliche Bayer-Aufsichtsratssitzung im Mai
Seit dem Kauf des US-Konzerns hat sich der Aktienkurs von Bayer in etwa halbiert. Ende April hatten die Aktionäre auf der turbulent verlaufenden Hauptversammlung dem Vorstand um Werner Baumann die Entlastung verweigert.
Das Unternehmen plant eigenen Angaben zufolge in den nächsten drei Jahren den Abbau von weltweit etwa 12.000 Arbeitsplätzen, davon rund 4.500 in Deutschland.
Der Skandal um die geheimen Monsanto-Liste dürfte die Situation für Bayern nun weiter verschärfen und auch die anstehende Außerordentliche Aufsichtsratssitzung beschäftigen. Diese war – bereits vor Bekanntwerden der Monsanto-Liste in Frankreich – für den Mai geplant.