Erste Hilfe bei Cybermobbing

Ein irrer Stalker, der mit denunzierenden Fotomontagen im Netz beinahe das Leben eines Musikers ruinierte. Oder ein enttäuschter Ex-Partner, der eine Investmentfirma mit hunderten Hassvideos diskreditierte: Das sind nur zwei Beispiele für Cybermobbing gegen Unternehmen. Das Verunglimpfen im Netz nimmt zu und kann fatale Folgen für Reputation, Image und Verkaufszahlen haben. Was können Firmen tun gegen den virtuellen Feind? Ein Gespräch mit dem Reputationsexperten Christian Keppel

Herr Keppel, wer sind die Cybermobber – und was ist ihre Motivation?

Keppel: Fast immer sind die Kommentatoren enttäuschte Kunden oder frustrierte Mitarbeiter, die ihre Rache im Netz ausleben. Die meisten bleiben anonym. Sie schreiben bewusst negative Artikel in Blogs, Foren oder Bewertungsportalen. Sie veröffentlichen Fotos mit erfundener oder aus dem Kontext gerissener Bildunterschrift. Manche erstellen komplett gefälschte Fotomontagen. Andere Cybermobber posten Videos mit mehr oder weniger versteckten Verleumdungen. Ob mit Texten, Bildern oder Videos – alles was im Internet möglich ist, um andere zu diffamieren, wird auch gemacht.

Finden Opfer Hilfe bei den Webseitenbetreibern?

Nicht immer. Zwar werden Webseiten-Betreiber immer sensibler, denn auch sie haben ein Interesse an der eigenen Glaubwürdigkeit und haken bei auffälligen Beiträgen direkt beim Autor nach. Kommt von dem keine Antwort, wird der Beitrag gelöscht.

Nicht so bei den schwarzen Schafen der Internetbranche: Sie haben die Rufschädigung Anderer zum Geschäftsmodell gemacht. Wenn eine Seite in Hongkong gehostet wird und der Server in Usbekistan steht, werden wir hellhörig. Solche Betreiber sind kaum auffindbar. Oder sie tarnen sich als vermeintliches Wirtschaftsunternehmen, geben sich Beschwerern gegenüber scheinbar kulant und bieten das Löschen der diffamierenden Beiträge gerne an – gegen eine Mitgliedschaft in ihrem exklusiven Club für eine Jahresgebühr von 15.000 Euro…

Welche Folgen hat Cybermobbing für betroffene Unternehmen?

Die Folgen für die Firma sind Reputationsverlust, Imageschäden bis hin zu Umsatzeinbußen. Gerade kleinere Unternehmen oder Freiberufler können so schnell in finanzielle Schieflag geraten. Der Haken ist: Wenn Firmen das Cybermobbing bemerken, ist es häufig schon zu spät. Wollen sich verärgerte Kunden durch negative Beiträge beschweren, ist ihr Ärger meist nach drei Tagen wieder verflogen – aber ihr Artikel bleibt im Netz.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Bei einem unserer Kunden begann es mit verschmähter Zuneigung und endete beinahe in der Privatinsolvenz. Der selbständige Musiker und Lehrer wurde über mehrere Jahre von einem Stalker verfolgt. Der platzierte im Netz selbst gemachte Fotomontagen, die den Pädagogen Arm in Arm mit dem „Inzest-Monster“ Josef Fritzl oder in SS-Uniform zeigten. Diese Bilder erschienen bei Google, wenn man den Namen des Lehrers eingab. Der Stalker fälschte auch Schulplakate und diffamierte darauf den Musiker als Pädophilen. Welche Eltern würden ihr Kind da noch zu seinem Unterricht schicken?

Ist ein Unternehmen besser gewappnet als ein einzelner Freiberufler?

Nicht unbedingt. Der Chef einer Baufirma gab zum Beispiel vor, einen Blog als Privatperson zu schreiben. Dabei diffamierte er geschickt seinen größten Konkurrenten und Zulieferer. Der falsche Blog landete im branchenspezifischen Relevanz-Ranking sogar auf Platz 1. Der Autor hatte keine Scheu, gegen eine ganze Firma anzutreten. Und die erfuhr von der Attacke nur durch Zufall.

Der Täter hat offenbar weder Kosten noch Mühen gescheut.

Genau. In einem anderen Fall platzierte der Ex-Partner einer Investmentfirma in einem persönlichen Rachefeldzug Hassvideos aus Filmsequenzen, Bildern und Texten im Netz und verlinkte die zum ehemaligen Arbeitgeber – bis zu 400 Stück pro Monat. Entweder hat der nicht mehr geschlafen oder für teures Geld Profis als Mittäter engagiert.

Was raten Sie Unternehmen angesichts solcher Schreckensszenarien zur Prävention?

Ein aktueller negativer Beitrag schlägt viele ältere positive. Einmal pro Woche die eigene Firma zu googeln reicht da nicht. Unternehmen müssen ein enges Monitoring aufbauen und Web-Inhalte strategisch steuern. Dabei muss man auch alle relevanten Foren, Blogs und Social Media-Kanäle im Auge behalten. Man sollte nicht nur den eigenen Namen überprüfen lassen sondern auch Google Autocompletes.

Das Internet vergisst nie. Was können betroffene Unternehmen noch ganz praktisch tun?

85 Prozent der Beiträge kann man löschen lassen, den Rest muss man verdrängen. Beim Platzhirsch Google mit 94 Prozent Marktanteil sind nur die ersten drei Trefferseiten für Nutzer relevant, danach sinkt die Wahrnehmung rapide. Doch um ausreichend neue Beiträge im Netz zu positionieren, braucht es vor allem Zeit: Das Entfernen solcher Mobbingbeiträge im Netz durch Agenturen dauert drei bis vier Wochen, ein strukturiertes Reputation Management sechs bis zwölf Monate.

Welche Rolle spielt der eigene Firmen-Blog in der Krise?

Firmen sollten schon in Friedenszeiten im eigenen Blog regelmäßig Inhalte aus dem Firmenalltag veröffentlichen. Und in Krisenzeiten hier auch direkt Stellung beziehen. Aber Vorsicht beim Löschen von Beiträgen. Autoren reagieren darauf empfindlich, schnell entsteht so eine Metadiskussion über Glaubwürdigkeit, die dann auch noch dutzendfach verlinkt wird.

Gibt es Kunden, die Sie ablehnen?

Online Reputation Agenturen nehmen sich das Recht, Kunden mit extremen politischen oder religiösen Ansichten abzulehnen. Ebenfalls schlechte Karten haben Kriminelle, die ihre Straftaten aus dem Weltgedächtnis löschen lassen wollen.

Christian Keppel (c) Privat

Christian Keppel ist Pressesprecher von deinguterruf.de, einer Agentur für Online-Reputationsmanagement. Zu ihren Kunden zählen kleine und mittelständische Firmen, Freiberufler und Privatpersonen.

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