Einen Newsroom aufbauen – Schritt für Schritt

Corporate Newsrooms

In immer mehr Unternehmen wird aktuell der Auf- oder Ausbau eines Newsrooms diskutiert. Die Power-Point-Folien der „themenzentrischen Planung“, der „transparenten Organisation“ und der „redaktionellen Prozesse“ gehören mittlerweile zum Standard-Repertoire der Unternehmenskommunikatoren. Manche Projektvorhaben enden allerdings in der Bereitstellung eines ungenutzten Großraumbüros mit Meeting- Charakter und Hochtischen.

Die Treiber der Veränderung sind sehr vielschichtig, unter ihnen: Veränderungen des Medienkonsums, Diversifizierung der Zielgruppen, Zunahme von Ausspielkanälen. Die Liste ließe sich nahezu beliebig erweitern. Schnell wird deutlich, dass dem Newsroom hier Wunderkräfte verliehen werden müssten, um all den Anforderungen gerecht zu werden.

Bevor wir uns den einzelnen Erfolgsfaktoren zuwenden, empfiehlt sich eine interpretationssichere Definition des Vorhabens. Was ist der Unternehmens-Newsroom und was soll mit seiner Hilfe erreicht werden? Eine klare Beschreibung, die als Vorgabe des Aufbaus und als Grundlage des Handelns dient, hilft, dem großen Risiko entgegenzuwirken, dass das Projekt ausufert und in Ineffizienz endet. Hierbei geht es nicht darum, eine Richtig-oder-falsch-Abwägung anzustellen, sondern vielmehr darum, sich auf die individuellen Zielvorgaben zu einigen.

Was ist ein aktuelles Thema und wo wird es ausgespielt?

„Wir wollen mit dem Newsroom eine themenzentrische und redaktionelle Zusammenarbeit ermöglichen.“

So kann die Überschrift einer Zielvorgabe lauten. Vorher sollte jedoch geklärt werden, was denn ein Thema genau ist, damit „themenzentrisch“ agiert werden kann. Und was genau ist mit „redaktionell“ gemeint?

Ein (aktuelles) Thema ist die inhaltliche Beschreibung eines Kommunikationsinhalts, der das Potenzial hat, zu Content aufbereitet, crossmedial und über unterschiedliche Kanäle produziert und publiziert zu werden. Damit unterscheidet sich ein Thema in zwei wesentlichen Bereichen von der einzelnen Publikation:

  1. Das Thema ist frei von der inhaltlichen Botschaft (dem journalistischen Satz) und
  2. das Thema ist unabhängig vom Ausspielungskanal.

Als Publikation wird hier jede Ausspielung – egal für welchen Kanal – beschrieben. Das reicht von der Presseinformation bis zum einzelnen Tweet.

Als redaktionelle Ebene werden die Struktur der Rollen und die Methode der Zusammenarbeit vorausgesetzt, wie zum Beispiel die Form der Redaktionssitzungen zur Besprechung der Lage und der aktuellen Aufgaben aussieht.

Die Veränderungen für den Aufbau eines erfolgreichen Newsrooms nach diesen Vorgaben und Zielen betreffen:

  • Methode
  • Organisation
  • Kultur
  • Digitalisierung

Damit wird klar, dass der Newsroom nicht nur physikalischer Ort oder Tool sein kann. Eine transparente und agile Form der Zusammenarbeit – die Grundlagen eines Newsrooms – erfordern ein neues Mindset von Management und Team. Viel zu oft werden diese Dinge als Buzzwords verstanden. Dabei müssen sie geplant, gelernt und geführt werden.

Eine transparente Zusammenarbeit in Form einer redaktionellen Kollaboration heißt immer auch, die bestehenden und gewachsenen Silos aufzubrechen und gewohnte Arbeitsabläufe einzustellen.

 

 

Transparenz steht dafür, dass jeder sehen kann, was jeder macht. Die Ziele der Agilität liegen darin, dass sich Teams nach Themenbereichen interdisziplinär zusammenfinden. Die erfolgreiche Umsetzung bedarf nicht nur eines guten Willens, sondern auch einer hohen Verbindlichkeit des Vorhabens.

Mögliche Synergien sichtbar machen

Um für das eigene Projektvorhaben die richtige Struktur und Priorität der Umsetzung zu finden, hilft ein Blick auf die Kernprozesse der Arbeit. Ein Newsroom beschäftigt sich mit Monitoring, Planung, Produktion und der Publikation – themenzentrisch und für alle Ausspielkanäle.

Die Idee des Newsrooms liegt darin, zu hinterfragen, welche Informationen die einzelnen Menschen befähigt, ihre Arbeit „besser“ machen zu können. Hierbei stehen vielfach die Kenntnisse der eigenen Entscheidungskompetenzen, die Sichtbarkeiten möglicher Synergien sowie die Sicherheit der Informationsbereitstellung und -beschaffung im Vordergrund.

Egal ob es nun um den Aufbau eines neuen Newsrooms geht oder das schon gestartete Vorhaben weiter verbessert werden soll – in beiden Fällen empfiehlt sich die Umsetzung in Form kleiner und konsequenter Schritte.

In agilen Projekten spricht man bei den einzelnen Zielvorhaben von „User Stories“. Eine User Story kann erstellt werden, indem die Beteiligten ihre Anforderungen nach dem folgenden Schema beschreiben:

„Ich als … will … von …, um …“ : Ich als (in welcher Rolle?) will (was will ich haben?) von (wer kann das bereitstellen?), um (was verbessert sich dann?).

Kritische Frage: Wo sind die Außengrenzen?

Es bedarf ein bisschen Übung, um nach diesem Modell die Verbesserungspotenziale zu finden und das Projekt zu steuern. Aber diese Methode führt schneller und effektiver zum Ziel als die Erstellung großer Lastenhefte. Die Umsetzungen werden jeweils die oben genannten Bereiche der Methode, der Organisation, der Kultur und der Digitalisierung parallel betreffen. Der Versuch, hieran die Sequenz der Umsetzung abzuleiten, ist aussichtslos.

Erfahrungen zeigen, dass hierbei auch die kritischen Fragen der Außengrenzen (Welche Kommunikationsbereiche gehören zum Newsroom?) und der Verantwortlichkeiten (Marketing, Unternehmenskommunikation et cetera) geregelt werden können.

Eine Warnung muss sein: Ein Newsroom funktioniert nicht durch den Einsatz weiterer Methoden oder die Anschaffung zusätzlicher Software. Aber was deren effizienten Einsatz betrifft, ist es eben nicht nur die Entscheidung für ein Produkt, sondern ist die Methode des Einsatzes von entscheidender Bedeutung. Die Betrachtung der eigenen Schwachstellen und der Schwerpunkte der Zieldefinition ist Grundlage für den Auswahlprozess. Erst dann lässt sich sinnvoll vergleichen, testen und entscheiden.

Mein grundsätzlicher Rat: Achten Sie von Anfang an darauf, dass Sie mit einer hohen Verbindlichkeit nach den Neuerungen Ihres Newsrooms arbeiten, und verlassen Sie konsequent alt eingebrachte Silos! Mails sind für Freigabeprozesse von Presseartikeln genauso untauglich wie Excel Sheets als Redaktionskalender.

 

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe VERANTWORTUNG. Das Heft können Sie hier bestellen.

Weitere Artikel