„Die Testphase ist vorbei“

Influencer Relations

Wie schön es wäre, wenn ein cooler Opa sich einmal auf Youtube über die Beschwerlichkeit des Reisens beklagen würde. Sven Wedig, Geschäftsführer der Agentur Vollpension Medien, würde es freuen, denn dann gäbe es womöglich einen Influencer aus einer der größten Zielgruppen – der Best Ager. Und er hätte ein Angebot für all diejenigen Kunden, die nicht die klassische Influencer-Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen bedienen.

Unerschlossene Märkte gibt es für das Influencer-Marketing also noch. Bedeutet das, dass Influencer Relations kein kurzfristiger Hype sind, sondern langfristiges Zukunftspotenzial haben?

Der Antwort auf diese Frage geht eine Feststellung voraus: Influencer-Marketing sei für alle Marken und Botschaften relevant, stellte Carlos Zamorano, Direktor Marketing und Kommunikation bei RTL II, gleich zu Beginn des Panels klar.

In der anschließenden, knapp einstündigen Diskussion unter der Moderation von Martina Kix kristallisierten Wedig und Zamorano die wichtigsten Kriterien für ein erfolgreiches Influencer-Marketing heraus. So steht an erster Stelle die Glaubwürdigkeit – die kann den Experten zufolge nur entstehen, wenn sich der Influencer über längere Zeit intensiv mit einem Thema befasst. Zweitens der Brand Fit – passt der Influencer zur Marke? An dritter Stelle stehen Leistungswerte wie Reichweite und Engagement.

Wobei nicht immer die Anzahl der Follower auf Instagram ausschlaggebend sei, wie Zamorano bemerkte. Wichtig ist die Relevanz für die Zielgruppe. Wen spricht der Influencer an? Wen soll das zu bewerbende Produkt erreichen? Wedig fügte hinzu, dass auch eine Follower-Gemeinschaft von 800 interessant sein könne, wenn eine sehr spezifische Zielgruppe angesprochen werden soll.

Einzelaktionen bringen nichts

Einig waren sich die beiden darin, dass Influencer-Marketing keinen Stand-alone-Stellenwert haben dürfe, sondern immer Teil des Marketing-Mixes sein müsse. „Firmen müssen bereit sein, die ganze Klaviatur des Marketings abzuspielen“, sagte Wedig, der von einzelnen Product-Placement-Postings nichts hält. Denn dass das ordentlich schiefgehen kann, zeigte jüngst der Konzern Unilever mit seiner Influencer-Kampagne zum Waschmittel Coral – ein Worst Case, der in der Branche für viel Spott und Häme sorgte. Auf Kundenanfragen solcher Art hat der Agenturchef eine eigene Strategie entwickelt: „Ich sage immer, ein Foto kostet 100.000 Euro. Dann sind die meisten weg.“

Aber auch ein Zehntel davon für eine einzelne Aktion auszugeben, bringe gar nichts, stimmte Zamorano mit ein, solange diese nicht in eine umfassende Kampagne eingebettet sei.

Interessant wurde es, als Moderatorin Kix den Kommunikationsberater André Krüger zitierte, der mit seiner These, das Influencer-Marketing sei kaputt, bereits vor einem Jahr für Aufsehen gesorgt hatte. „Die Diskussion beginnt erst. Kaputt ist der erste Hype, jetzt kommt die Vernunft“, entgegnete Zamorano. Er ist überzeugt davon, dass es zwar zu einer Selektion von Influencern kommen werde, diese Art Marketing jedoch überleben werde.

Das sah auch Wedig so: „Die Testphase ist vorbei“, erklärte der Agenturchef, der unter anderem große Kunden wie die Deutsche Bahn und Shell berät. „Die Learnings sind da, Lehrgeld muss niemand mehr bezahlen.“ Der Fachmann stört sich lediglich am Wording: „Das Wort ‚Influencer‘ ist überstrapaziert. Am Ende ist es nichts anderes als Marketing mit Menschen, lediglich die Mechanik hat sich geändert.“

Hinschauen statt wegschauen

Probleme gibt es dennoch zu lösen. Ein Thema, das das Panel ansprach, ist der Missbrauch von Zahlen und Kennwerten, zum Beispiel durch Bots. Die Empfehlung der Experten: genau hinschauen. Während Zamorano dafür plädierte, den Mitarbeitern genügend Zeit für die Einarbeitung in das jeweilige Thema zu geben, damit sie die richtigen Influencer identifizieren und Kennwerte wie Interaktionsrate überprüfen könnten, sah Wedig die Entscheider selbst in der Pflicht: Diese sollten jeden Influencer genau unter die Lupe nehmen.

Dass Influencer Paid-Kampagnen beispielsweise auf Instagram starten, um mehr Followern zu gewinnen, findet Wedig allerdings unproblematisch. Sie selbst seien schließlich Marken und da sei es völlig legitim, Werbung für sich selbst zu machen, meint der Berater.

Eine weitere interessante Frage lautete: Was passiert mit den klassischen Medien wie dem Fernsehen? Inwieweit leiden sie unter Kanälen wie Snapchat? Eine klare Antwort wollten oder konnten die beiden Experten darauf nicht geben, denn zumindest im Moment besitze das Medium TV noch einen sehr hohen Stellenwert – und wenn man Wedig glauben mag, dann schauen die Jugendlichen, die der vielen Geräte irgendwann überdrüssig werden, ab einem bestimmten Alter auch wieder fern.

Übrigens: Wer sich wundert, dass es in der Diskussion bislang hauptsächlich um Marketing-Aspekte ging, der ist damit nicht allein. Zu Recht stellte eine Kommunikatorin aus dem Publikum die Frage, welche Auswirkungen Influencer Relations auf die Kommunikation haben werden. Wedigs lapidare Antwort: „Die klassische Consumer-PR ist tot.“ Es gehe nicht mehr darum, das Produkt über eine Pressemitteilung an den Journalisten zu bringen, so führte der Agenturchef aus, sondern darum, unter Einbeziehung eines Multiplikators eine Story um das Produkt herum zu spinnen und diese an den Journalisten zu verkaufen. Denn, so Zamarano: „Die kostenfreie Platzierung von Themen – das geht auch über Influencer.“

Also: Sind Influencer Relations mehr als ein Hype?

Ja, lautet die Antwort der Fachleute. Influencer Relations werden Bestand haben. Und wer weiß – vielleicht werden die Influencer von heute eines Tages auch auf Youtube über das Reisen klagen.


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