„Die Menschen sind es gewohnt, nah dran zu sein“

SAP-Kommunikatorinnen Baxmann und Buckow

Auf dem Kommunikationskongress haben Sie darüber gesprochen, wie sich die Unternehmenskommunikation von Influencern inspirieren lassen kann. Warum sollte sie das?

Jessica Baxmann: Natürlich beschäftigen sich viele Unternehmen mit Influencern – aber öfter stärker aus einer Marketing-Perspektive. Man fragt sich: Wie können wir mit Influencern zusammenarbeiten und so an neue Zielgruppen herankommen? Wir wollten aber wissen: Was können eigentlich Kommunikatoren von Influencern lernen? Schließlich haben einige von ihnen Millionen Follower – irgendetwas müssen sie also richtigmachen.  Wie können Unternehmen oder Organisationen lernen, Inhalte zu erstellen, die auf ähnlich viel Anklang stoßen – die Menschen sich gerne anschauen?

Was haben Sie dabei herausgefunden?

Wir haben drei Kernmerkmale für den Erfolg von Influencern herausgearbeitet. Zunächst sind sie authentisch – es ist für sie in Ordnung, nicht perfekt zu sein. In Bezug auf ihre Inhalte heißt das: Es müssen nicht immer polierte Hochglanzaufnahmen sein – ein Video mit der Handykamera zu filmen, reicht völlig aus. Das führt zum zweiten Punkt: der Nahbarkeit. Influencer treten in einen sehr schnellen Dialog mit ihren Followern. Beispielsweise schauen sie sich an, welches Feedback sie aus ihrer Community erhalten, lesen diese Kommentare im Video vor und reagieren darauf. Drittens ist ihr Content unterhaltsam – wenn sie zum Beispiel etwas Neues ausprobieren, an einer Challenge teilnehmen oder Ähnliches, hat man nicht das Gefühl, man müsste sich etwas ansehen oder anhören, sondern hat Lust darauf.

Über den Punkt Authentizität kann man sich möglicherweise streiten. Influencer präsentieren eine idealisierte, unechte Welt, finden manche. Was sagen Sie dazu?

Sara Buckow: Uns ist natürlich bewusst, dass Influencer nicht immer alles richtigmachen. Einige Aktionen – man denke nur an die Aktion mit der Bifi-Badewanne – sind natürlich absolut nicht authentisch. All das muss man mit Vorsicht genießen.

Baxmann: Gerade von der Inszenierung bis ins letzte Detail bewegt sich die Unternehmenskommunikation zurzeit ja eher weg. Schaut man ein paar Jahre zurück, sah das nämlich so aus: Wollte man in einem Unternehmen den Vorstand positionieren, lud man dazu zunächst mal eigens ein Videoteam ein. Dann wurden ihm oder ihr Stichpunkte aufgeschrieben, das Licht ausgesetzt… Vieles wirkte gestellt. 

Denken Sie, dass sich der Trend zur Authentizität in Zukunft fortsetzen wird?

Letztendlich ist es so: Man kann nicht alles auf jede Kommunikationsdisziplin übertragen. Quartalszahlen beispielsweise werden vermutlich auch in Zukunft in einem eher professionellen Setup kommuniziert statt in Form eines Influencer-Videos. Ein paar Formate werden also wahrscheinlich in der heutigen Form bestehen bleiben, da ist das Perfekte vielleicht notwendig. 

Gerade in Bezug auf die Nahbarkeit von Vorständen und CEOs, oder auch auf Events, sind die Menschen heute aber einfach gewohnt, viel näher dran zu sein. Dieser Trend zur Personalisierung wird uns als Gesellschaft meiner Meinung nach erhalten bleiben.

Bei welchen Projekten haben Sie sich konkret von Influencern inspirieren lassen?

Die Idee, auf Feedback aus der Community zu reagieren, haben wir beispielsweise übernommen. Unser Vorgesetzter und Vorstand Jürgen Müller nimmt sich einmal im Monat etwa eine Stunde lang Zeit, um auf die Fragen seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einzugehen. Das ist ein sehr einfaches Format: Er setzt sich vor eine Kamera und beantwortet die Fragen in Echtzeit. Auf diese Weise wirkt er authentisch und nahbar. 

Buckow: Ein Format, dass wir in unserer externen Kommunikation umgesetzt haben, ist die Challenge. Diese wurde ja vor allem auf Youtube institutionalisiert und ist auch auf TikTok nicht mehr wegzudenken. Auch hier haben wir überlegt: Wie können wir so etwas für den Unternehmenskontext adaptieren? Vor Kurzem haben wir im Rahmen unserer Blockchain-Konferenz etwas Ähnliches veranstaltet: Von uns ausgewählte Teilnehmer und Teilnehmerinnen mussten Gegenstände aus einem Beutel ziehen und erklären, was der jeweilige Gegenstand mit dem Thema Blockchain zu tun hatte. Dabei ist ein sehr unterhaltsames Video entstanden – kein typisches Konferenzvideo, sondern etwas anderes, das man gerne anschaut. 

Welches Feedback erhalten Sie von Mitarbeitern für solche Aktionen?

Baxmann: Die Rückmeldungen sind durchaus sehr positiv. Nicht jedes Format ist aber sofort jedem gängig, nicht jeder findet gleich alles super. Nehmen wir das schon angesprochene Feedbackvideo unseres Vorstands. Anfangs war das nicht jedem geläufig, manche fragten, ob wir daraus nicht ein formelleres Format machen sollten, mit Bühne und so weiter. Wir haben dann gesagt: Genau das wollen wir nicht. Wir möchten, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen das Gefühl haben, sie erreichen den Vorstand gerade am Arbeitsplatz.

Nach zwei bis drei Malen merkten sie dann, dass das Absicht war und keine Notlösung, weil wir das Equipment nicht rechtzeitig organisieren konnten oder so etwas. (lacht) Heute erhalten wir für das Format extrem hohen Zuspruch. Den anderen Menschen möglichst aus der Nähe erleben – das möchte doch eigentlich jeder.

Sie arbeiten beide bereits seit mehreren Jahren in der Kommunikation. Was hat sich seit Ihrem Berufseinstieg in der Branche verändert?

Buckow: In der Kommunikationsbranche bin ich seit ungefähr sechs Jahren tätig, komme aus der Agenturwelt. Seit ungefähr anderthalb Jahren bin ich bei SAP. Während dieser Zeit habe natürlich auch ich gemerkt, dass gerade das Handwerkliche, die digitale Kommunikation zugenommen hat. Als ich vor sechs Jahren zum ersten Mal bei Kunden aufgeschlagen und ihnen etwas von Twitter und Instagram erzählt habe, wurde ich schon noch ein bisschen schräg angeschaut. Mittlerweile habe ich das Gefühl, die meisten haben verstanden, dass man auf diesen Kanälen auch Unternehmenskommunikation betreiben kann – Pressemitteilungen sind nicht alles. Das hat sich seit damals schon geändert, fast kann man sagen: vom Skeptizismus zur Euphorie.

Baxmann: Bei SAP arbeite ich mittlerweile seit sieben Jahren. Seit meinen Anfängen hat sich schon viel verändert. Wir arbeiten eben auch in der Software-Industrie – natürlich entwickelt sich gerade die Technologie unheimlich schnell weiter. Über die Zeit hat sich auch meine Rolle immer wieder geändert, je nachdem, welche Bereiche stärker kommuniziert werden sollten. Machine Learning oder künstliche Intelligenz sind beispielsweise zwei der Themen, die während dieser Zeit groß geworden sind. 

Wo liegen Ihrer Meinung nach die künftigen Herausforderungen für die Kommunikation?

Buckow: Ich denke, in Zukunft müssen wir noch schneller werden, auch in der Content-Produktion. Wenn wir zum Beispiel früher eine Konferenz hatten und ein, zwei Wochen später das Video dazu veröffentlicht haben, war das in Ordnung. Heute muss man im Idealfall am selben Tag den Content ausspielen. Eine weitere Herausforderung sind natürlich die vielen verschiedenen Kanäle, die es gibt. Künftig werden hier noch weitere hinzukommen. Da ist es unabdingbar, als Kommunikator zu schauen, wo die Zielgruppen unterwegs sind, und dabei auf dem neuesten Stand zu bleiben.

Baxmann: Natürlich muss man schnell und am Puls der Zeit sein. Nichtsdestotrotz muss man Wert auf Qualität legen und Fehler in der Kommunikation möglichst vermeiden. Die vielen neuen Technologien, die ständig aufkommen, sind natürlich auch eine Herausforderung. Andererseits ist es sehr spannend, herauszufinden, wie man damit umgehen und arbeiten kann.

Zum Schluss: Wie groß ist der Druck bei einem Branchenprimus wie SAP, auch in der Kommunikation ständig Innovationen zu generieren?

Einen Druck von außen spüre ich weniger. Wir haben aber einfach unglaublich Lust darauf, unsere Kommunikation voranzutreiben. Wenn man so nah mit Entwicklungsteams zusammenarbeitet wie wir es tun, wird man von dieser Innovationsliebe angesteckt und will diese auch in die Kommunikation übertragen.

Buckow: Auch privat leben wir alle uns gerne kreativ aus – und setzen das natürlich auch gerne im Job um. Alles so zu machen, wie es immer schon gemacht wurde – das würde uns langweilen.

 

 

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