Bis vor wenigen Jahren waren bestenfalls die Pressesprecher von Spitzenpolitikern, der PR-Berater Moritz Hunzinger oder der bis heute umtriebige ehemalige Volkswagen-Kommunikationschef Klaus Kocks öffentlich bekannt. Bei Fußballturnieren bekamen zudem DFB-Pressesprecher wie Wolfgang Niersbach ein Gesicht.
Das Medieninteresse an der PR-Branche ist gestiegen. Die Berichterstattung über Magdalena Rogl, Head of Digital Channels bei Microsoft Deutschland, reicht vom Bayerischen Rundfunk bis zur Süddeutschen Zeitung. Agentur-Profi Frank Behrendt ist seit seinem Buch „Liebe dein Leben und nicht deinen Job“ ein medial gefragter Mann. Tijen Onaran ist als Vorzeigeerklärerin des Netzwerkens omnipräsent. Christoph Bornschein von der Agentur TLGG tritt bei Digitalisierungsthemen auf. Nachdem Antje Neubauer, Leiterin Marketing und PR bei der Deutschen Bahn, ihren Ausstieg verkündete, gab sie Zeit Online und der Wirtschaftswoche Interviews. Es geht viel um Schärfung des eigenen Profils – Personal Branding.
Die Branche braucht Gesichter
Sichtbarkeit von Kommunikatoren in reichweitenstarken Medien ist begrüßenswert. Die Branche braucht Gesichter, die nicht wie finstere Spindoktoren wirken, sondern die für Offenheit stehen. Das erleichtert das Recruiting. Würde man 16-Jährige nach ihrem Berufswunsch fragen, würde „Pressesprecher“ vermutlich keinmal genannt. Medienpräsenz in eigener Sache verbessert das Standing der Kommunikationsabteilungen in den Unternehmen. Für die breite Öffentlichkeit entsteht über Personen ein Anreiz, sich mit PR zu beschäftigen.
Personal Branding ist gut. Vermittlung von Inhalten und Erklärung der eigenen Profession wären besser. Weiten Teilen der Öffentlichkeit ist nicht klar, warum PR von Unternehmen, Parteien und Institutionen notwendig ist. Intransparenz und der Ruf, die Welt schöner zu malen, als sie ist, prägen das öffentliche Bild. Würde es Kommunikationsabteilungen gelingen, ihre Arbeit transparent und glaubwürdig zu erklären, würden sie sich selbst einen Gefallen tun. Mehr Vertrauen wäre die Folge.
Gefragt wäre Agenda Setting in eigener Sache. PR-Abteilungen sollten Social Media und klassische Medien nutzen, um Kommunikationsthemen stärker zu akzentuieren. Wie arbeiten wir? Was ist unser Ziel? Fachverbände könnten ebenfalls mehr Flagge zeigen.
Medien sehen in PR Konkurrenz
Wenn es um PR und Lobbying geht, spielen Politik- und Wirtschaftsjournalisten gerne die Empörungskarte. Sie setzen beides mit Manipulation gleich, während sie sich selbst als die wahrheitsliebenden Aufklärer sehen. Dass Journalisten von Öffentlichkeitsarbeit profitieren, vergessen sie schnell.
In der Berichterstattung zu Monsanto erweckten Leitmedien beispielsweise den Eindruck, öffentliche Informationen über Kritiker zusammenzutragen sei ein Skandal. Es ist keiner. Zwei leitende FAZ-Redakteure wissen vermutlich bis heute nicht, wie Influencer wie Rezo vermarktet werden. Der „Medienkommissar“ des Handelsblatts kritisiert gerne Content Marketing und bringt es dann mit Native Advertising durcheinander. Politikredakteure stören sich an Newsrooms von Parteien und Ministerien. Wenn Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sich mit Lobbyisten von Verbänden und Großunternehmen trifft, ist das für Medien anrüchig. Dabei gehört Austausch zum System und sagt über ihre Politik wenig aus.
PR, Newsrooms, Influencer, Content Marketing – Journalisten sehen hier Konkurrenz. Ihr Spin: PR gleich böse. Die Kommunikationsbranche täte gut daran, selbst für mehr Einordnung zu sorgen und offener zu werden.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe ZEIT. Das Heft können Sie hier bestellen.