Herr Wedekin, Herr Crossley, warum braucht ein Versicherer ein Corporate-Influencer-Programm?
Henning Wedekin: Ich glaube, ein Corporate-Influencer-Programm ist für jede Marke interessant, im Bereich Finanzdienstleistung und Versicherung aber besonders. Denn auf den ersten Blick ist das Thema Berufsunfähigkeitsversicherung vielleicht langweilig. Aber am Ende geht es darum, Menschen im Notfall finanzielle Unabhängigkeit zu ermöglichen, also um Selbstbestimmung. Und diesen gesellschaftlichen Sinn in den Fokus zu rücken, mit Menschen, die am Thema ganz nah dran sind, dafür ist ein Corporate-Influencer-Programm hilfreich.
Lennart Crossley: Gerade im Versicherungsbereich, der vermeintlich als ein sehr trockenes Arbeitsumfeld wahrgenommen wird, kann man sich durch einen Purpose positionieren. Das heißt, Mitarbeitende sprechen über ihre sinnstiftende Arbeit: Sie bearbeiten nicht nur Anträge, sondern haben durch ihre Leistung einen echten Impact auf das Leben der Kunden.
Nun richtet sich Ihr Programm auch an Mitarbeiter:innen im Außendienst, die selbstständigen Finanzberater:innen. Da ist Purpose gut und schön, aber am Ende geht es um die Verkaufszahlen.
Crossley: Den selbstständigen Finanzberaterinnen und -beratern ist es schon wichtig, wie sie die Marke bestmöglich darstellen und wie sie den Mehrwert ihrer Arbeit am besten kommunizieren können. Aber es geht nicht nur um Social Selling. Es geht um die grundlegende Antwort, um das Why: Warum bin ich hier, warum gehe ich jeden Tag raus zu den Kunden, warum mache ich das? Und es beläuft sich auf Gegenseitigkeit: Wir wollen unserem Beratungsteam eine Heimat bieten, indem wir auch sagen, warum wir als Unternehmen hinter ihnen stehen, gerade auch in Corona-Zeiten. Um Verkaufsförderung ging es uns bei der Konzeption des Corporate-Influencer-Programms nie.
Sprechen wir über die Konzeption. Seit wann gibt es das Programm? Wie sieht das Setting aus?
Wedekin: Mit dem Thema beschäftigen wir uns im Swiss-Life-Konzern seit 2018. In Deutschland haben wir im Februar 2019 das erste Mal dazu intern kommuniziert. Wir haben dann die ersten 50 Kolleginnen und Kollegen aus dem Innendienst gefunden und gewinnen können. Seit diesem Jahr ist auch der Außendienst Teil des Programms, dazu gehören der Swiss Life-Außendienst und die selbstständigen Finanzberaterinnen und -berater, insgesamt sind das noch mal etwa 1.600 Markenbotschafterinnen und -botschafter, die über unser Tool aktiv sind. Wir setzen auf zwei Bausteine: die Befähigung, Social Media zu nutzen, und ein eigenes Content-Sharing-Tool.
Crossley: Diese Kombination aus Community-Building und toolgestützter Kommunikation ist wirklich besonders. Sonst hat man entweder nur das Empowerment oder nur das Tool. Für unsere Vertriebe ist beides wichtig. Zum einen schulen wir die Teams vom Trainee bis zur Direktionsleitung, sodass sie lernen, ob und warum Social Media für sie Relevanz hat. Und dann bekommen sie das mobile Tool an die Hand, das sie mit Content, Bildern und Videos versorgt und sie über Push informiert, sobald neue Inhalte verfügbar sind. Das bietet unseren Brand Ambassadors einen großen Mehrwert, weil sie Inhalte so direkt herunterladen und auf ihren Kanälen teilen können.
Das heißt, die Unternehmenskommunikation gibt die Themen vor?
Wedekin: Nein, wir bieten sie aber an. Einige Mitarbeitende greifen gern die Kommunikationsbeiträge auf. Etwa, wenn wir eine Studie veröffentlichen oder interessante Blog-Beiträge teilen. Andere suchen sich eigene Themen. Das kann dann recht privat sein. Es haben sich auch schon Tandems über zwei Standorte hinweg gebildet, ohne dass wir das forciert haben. Diese digitale Freundschaft wurde dann auch auf Social Media thematisiert, was natürlich schön zu sehen ist. Wir geben Impulse, aber der Kern ist immer der Purpose, also wofür wir eigentlich stehen. Es geht darum, unserer Marke ein Gesicht zu geben, und das gestaltet sich sehr individuell.
Crossley: Dafür ist so ein Kernwert wie Selbstbestimmung natürlich gut geeignet. Der lässt den Teilnehmenden viel Spielraum. Ich finde es großartig, dass der Wunsch da ist, sich selbst auszudrücken und das in den Kontext der Marke zu stellen. Dazu gehören auch Hobbys oder andere Dinge, die die Person auszeichnet.
Die Unternehmenskommunikation hat eine Kontrollfunktion – ja oder nein?
Wedekin: Nein, wir kontrollieren nicht. Wir befähigen die Leute so, dass sie selbstständig auf Social Media aktiv sein können. Uns werden weder Beiträge vorgelegt, noch geben wir sie frei. Es ist unser Ziel, dass die Kolleginnen und Kollegen sich sicher fühlen. Tun sie das nicht, geben wir natürlich gerne Hilfestellung.
Aber es gibt schon KPIs, anhand derer Sie den Erfolg Ihres Programms messen?
Wedekin: Ja, es gibt KPIs, zum Beispiel ist uns die Aktivität des Programms und das Engagement wichtig. Denn um auf Social Media erfolgreich zu sein, braucht es einen langen Atem. Wie aktiv die Leute sind, können wir zum einen über die Tool-Nutzung messen. Zum anderen können wir die Aktivität anhand unseres Hashtags „ProudToBeASwissLifer“ ablesen. Wir haben bewusst einen Hashtag gewählt, der sprechend ist, weil er für sich stehen kann. Gleichzeitig kann man ihn nicht versehentlich verwenden, wie das zum Beispiel mit dem Hashtag „Selbstbestimmung“ der Fall wäre.
Wie aktiv ist erfolgreich?
Crossley: Wir haben jetzt rund 60 Markenbotschafterinnen und -botschafter im Innendienst. Viele teilen Beiträge auf Linkedin, mal auch auf Xing und Twitter und einige sind sehr aktiv auf Instagram. Mit ihnen erzielen wir eine Reichweite, die deutlich über einem Durchschnittspost liegt, den wir organisch auf einem Corporate Channel spielen. Unser Ziel ist, dass eine Markenbotschafterin oder ein Markenbotschafter im Schnitt einmal die Woche etwas postet.
Was passiert, wenn ein:e Markenbotschafter:in nicht aktiv ist? Haben Sie Verträge, in denen die Leistungen definiert sind?
Wedekin: Wir schließen keine Verträge mit ihnen. Sie fliegen auch nicht aus dem Programm, wenn die Aktivität sinkt. Das Programm ist ein Angebot an unsere Mitarbeitenden, an der Kommunikation teilzuhaben. Uns ist eine Kultur des Miteinanders wichtig und wir wollen eine Bottom-up-Kommunikation fördern. Deshalb versuchen wir, die Mitarbeitenden, wo immer möglich, einzubinden. Wenn jemand gar nicht mehr aktiv ist, würden wir unsere Unterstützung anbieten. Vielleicht hat die Person aber auch die Erfahrung gemacht, dass Social Media doch nichts für sie ist. Das ist auch in Ordnung.
Crossley: Wir haben natürlich eine Social Media Guideline, in der es einen eigenen Passus für die Dos and Don’ts als Corporate Influencer gibt. Schließlich sind unsere Markenbotschafterinnen und -botschafter ja ein Gesicht für die Marke und es ist uns wichtig, dass es zur Marke passt. Um den Teilnehmenden selbst auch Sicherheit zu geben, haben wir die Guidelines im Vorfeld prüfen lassen. In den Guidelines steht aber explizit, dass die Teilnahme freiwillig ist.
Wie wird man bei Ihnen zum Corporate Influencer?
Wedekin: Es gibt zwei Wege. Zum einen identifizieren wir Rolemodels, also gut vernetzte Schlüsselpersonen im Unternehmen. Solche Personen sprechen wir gezielt an. Schön ist auch, dass unser CEO Jörg Arnold auf Social Media aktiv ist. Und zum anderen machen wir regelmäßig einen Aufruf über unser Intranet, bei dem wir alle interessierten Mitarbeitenden zum Programm einladen. Alle Interessierten können mitmachen, es gibt keine Aufnahmekriterien. Beim jährlichen Starter-Event stellen wir das Programm ausführlich vor und wer sich entscheidet teilzunehmen, bekommt ein individuelles Onboarding.
Crossley: Übrigens, zur Bezeichnung „Corporate Influencer“ – es wird in der Branche ja immer wieder die Frage diskutiert, was Markenbotschafter eigentlich sind. Sind das Influencer? Wenn ja, müssten sie dann nicht auch eine gewisse Sichtbarkeit haben? Wir reden von Markenbotschafterinnen und -botschafter, weil wir den Leistungsgedanken explizit nicht mit reinbringen möchten. Gleichzeitig lehnen wir den Begriff Corporate Influencer nicht ab, weil wir glauben, dass die, die sich jetzt bei uns hervortun, echte Influencer werden. Sie haben einen spürbaren Einfluss auf die interne Community und zunehmend auch auf die externe.
Haben Sie das Gefühl, die Markenbotschafter:innen zahlen jetzt noch mehr als vor der Corona-Krise auf das „Wir“-Gefühl im Unternehmen ein?
Wedekin: Ja, das würde ich schon sagen. Jetzt gerade läuft zum Beispiel eine Schrittzähler-Aktion, mit der wir gemeinsam dem Corona-Blues begegnen wollen. Ziel ist es, zusammen an die Südgrenze Europas zu laufen. Unsere Markenbotschafterinnen und -botschafter sind natürlich prädestiniert dafür, mitzumachen und die Aktion nach außen zu tragen. Sie erreichen ihre Kolleginnen und Kollegen über Linkedin oder Instagram noch einmal ganz anders als wir über die Corporate-Kanäle.
Wie gehen Sie mit negativen Situationen um, zum Beispiel einem Shitstorm?
Wedekin: Einen Shitstorm hatten wir bei Mitarbeitenden noch nicht. Es gab mal einen kritischen Kommentar unter dem Beitrag einer Markenbotschafterin aus dem Innendienst, der aber weniger auf die Kollegin als auf die Marke abzielte. Die Markenbotschafterin hat sich an uns gewandt, wir haben das geprüft und sie bei der Kommunikation unterstützt.
Crossley: In der Finanzberatung kann so etwas schon mal vorkommen. Als Person aus der Finanzbranche wird man kritischer beäugt. Schön ist übrigens auch, wenn die Markenbotschafterinnen und -botschafter uns darauf aufmerksam machen, wenn irgendwo über uns gesprochen wird, egal ob positiv oder negativ. Das habe ich ehrlicherweise konzeptionell gar nicht mitgedacht. Aber es ist natürlich sehr wertvoll für die Unternehmenskommunikation, wenn sie auf einen zukommen und meinen: Hey, wollen wir darauf nicht reagieren?
Was sind für Sie die größten Herausforderungen beim Markenbotschafterprogramm?
Wedekin: Die Erstmotivation in Langzeitaktivierung umzuwandeln. Das ist wie im Fitnessstudio: Man geht einmal hin, hat ein gutes Gefühl, aber irgendwann lässt man es schleifen und es stellt sich kein Erfolg ein. Unsere Kernarbeit besteht darin, über das Jahr hinweg immer neue Impulse zu finden und Events zu kreieren, um die Markenbotschafterinnen und -botschafter zu motivieren.
Crossley: Und interne Sichtbarkeit herzustellen …
Wedekin: … genau, mehr Sichtbarkeit im Unternehmen für unsere Markenbotschafterinnen und -botschafter schaffen. Daran arbeiten wir gerade. Letztes Jahr haben wir zum Beispiel die „Markenbotschafterin des Jahres“ gekürt. Und dieses Jahr werden die Markenbotschafterinnen und -botschafter den offiziellen Hashtag zu unserem wichtigsten internen Event im März entwerfen, das dieses Mal ja leider nur digital stattfinden wird. Ich hoffe, dass wir bald wieder ein Community-Get-together vor Ort haben können. Denn man kann immer wieder schulen und Impulse geben, aber eine persönliche Begegnung zu haben, ist doch ein wesentlicher Faktor bei einem Corporate-Influencer-Programm.
Sie wollen noch mehr über das Botschafterprogramm bei Swiss Life Deutschland erfahren? Dann treffen Sie Henning Wedekin und Lennart Crossley am 11. März auf dem digitalen Corporate Influencer Day. pressesprecher ist Medienpartner der Tagung.