Darf man ­Cyber-Mobbern kündigen?

Arbeitsrecht

Werden in sozialen Netzwerken die Grenzen des guten Geschmacks überschritten, darf man von Cyber-Mobbing oder gar von Straftaten sprechen. Was ist eigentlich Cyber-Mobbing? Jedenfalls nichts, was man klischeehaft auf ein schwieriges pubertierendes Teenageralter schieben könnte.

„Mobbing“ ist – entgegen landläufiger Meinung – kein Rechtsbegriff. Mobbing wird allgemein als das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch ­Vorgesetzte bezeichnet. Mobbing setzt sich also zusammen aus mehreren einzelnen Handlungen, die systematisch miteinander verknüpft sind oder aufeinander folgen.

Die rechtliche Besonderheit liegt nun ­darin, dass die einzelne abgrenzbare Handlung jeweils für sich genommen in der Regel rechtlich keine Relevanz besitzt. Erst die systematische Zusammenfassung dieser Einzelakte zu einem Prozess wird in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung als Mobbing verstanden – und zwar dann, wenn der Prozess bezweckt oder bewirkt, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt wird oder dass ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Macht ein Mitarbeiter gegenüber einem anderen mal einen gemeinen Witz, mag das unhöflich sein. Ein Mobbing-Sachverhalt liegt deshalb aber noch nicht vor.

Bereits hier zeigen sich die Schwierigkeiten mit dem Begriff: Wann liegt eine ­„Systematik“ von Einzelakten vor? Ab wann kann von einer „Einschüchterung“ die Rede sein, wenn doch der Einzelakt neutral ist? Sprich: Wie viel muss der Mitarbeiter ertragen, bevor die Schwelle der Schikanierung überschritten ist? Diese Fragen lassen sich nur im ­Einzelfall klären.

Geht außerbetriebliches Cyber-­Mobbing den Arbeitgeber etwas an?

Im Unterschied zum „normalen“ Mobbing finden die Verletzungen beim Cyber-Mobbing in sozialen Netzwerken statt. Das Opfer wird hierbei durch aggressive oder beleidigende Texte, kompromittierende Fotos oder Videos, die veröffentlicht werden, angegriffen oder der Lächerlichkeit ausgesetzt.

Nun haben wir aber mit kompromittierenden Äußerungen im Internet ein Problem: Grundsätzlich ist die vertrauliche Kommunikation zwischen Menschen geschützt. Hier darf man frei vom Leder ziehen. Ob – und wann – eine solche vertrauliche Kommunikation auch in Facebook & Co. noch vorliegen kann, ist umstritten. Nach überwiegender Ansicht unterliegt aber ein Posting auf einer Social-Media-Pinnwand wohl keiner Vertraulichkeit. Und zwar selbst dann nicht, wenn nur ­sogenannte Freunde beziehungsweise direkte Kontakte die Pinnwand sehen dürfen. Eine vertrauliche Kommunikation soll bei sozialen Netzwerken allenfalls bei geschlossenen Gruppen und ­privaten Nachrichten in Betracht kommen.

Aber was geht den Arbeitgeber das außerdienstliche, private Verhalten seiner Mitarbeiter bei Facebook & Co. an? Nun, jeder Mitarbeiter ist auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers kann die berechtigten Interessen des Arbeitgebers grundsätzlich beeinträchtigen, wenn das Verhalten einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn durch außerbetriebliches Verhalten der Betriebsfrieden gestört wird oder sonstige berechtigte betriebliche Belange beeinträchtigt werden.

Eine Störung des Betriebsfriedens ist anzunehmen, wenn außerdienstlich auf Facebook & Co. ausgetragene Konflikte oder dort geäußerte Kritik im Betrieb fortwirken – etwa weil Mitarbeiter sich weigern, miteinander zu arbeiten. Sonstige Beeinträchtigungen berechtigter betrieblicher Belange sind, wenn Mitarbeiter beispielsweise durch das erlittene Cyber-Mobbing demotiviert werden, ihre Produktivität und Leistungsfähigkeit abnimmt, bis hin zu den nachweislich durch Mobbing verursachten Arbeitsunfähigkeiten der Mobbing-Opfer.

Straftaten oder Aufrufe zu Straftaten auf Facebook & Co.

Auch wenn nach dem Gesagten selbst wiederholte negative Äußerungen auf Facebook & Co. nicht zwangsläufig Mobbing darstellen müssen, kann es doch sein, dass bereits eine einzelne negative Äußerung in sozialen Netzwerken erhebliche Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben kann.

Jeder Arbeitnehmer hat auch in seinem Privatleben die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers zu wahren. Diese Nebenpflicht verbietet es dem Mitarbeiter, auf Facebook & Co. beleidigende Äußerungen über den Arbeitgeber oder Kollegen zu veröffentlichen.

Äußerungen in den sozialen Netzwerken sind zwar Meinungsäußerungen, und jeder Mensch hat nach Art. 5 Abs. 1 GG das Recht dazu. Aber: Dieses Grundrecht wird nicht schrankenlos gewährt. Es ist durch die allgemeinen Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre beschränkt. Das heißt, unzulässige Beleidigung oder Schmähkritik sind nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht vom Grundrecht auf Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt.

Eine unzulässige Schmähkritik ist gegeben, wenn eine Person diffamiert wird. Wenn also ein Mitarbeiter auf seinem privaten ­Facebook-Profil unter der Rubrik „Arbeitgeber“ schreibt: „Menschenschinder und Ausbeuter, Leibeigner, dämliche Scheiße für Mindestlohn“ (LAG Hamm, Urt. v. 10.10.2012), ist diese Schmähkritik nicht mehr von dem Recht zur freien Meinungsäußerung gedeckt.

Eine unzulässige Schmähkritik sind auch auf Facebook gepostete Kommentare über Kollegen wie dieser: „Habt ihr keine Freunde, hattet ihr schlechten Sex, hat jemand Euch ins Gehirn geschissen oder so, habt ihr keine anderen Hobbys statt zu lästern und Arsch zu kriechen und ein auf Klugscheißer tun, als werd ihr besser, ihr seid unnötig, noch nicht mal irgendwas wert…“ (ArbG Duisburg, Urt. v. 26.09.2012). Ebenso sind Beleidigungen des Arbeitgebers mittels Emoticons unzulässig (LAG Baden-Württemberg, Urt. v 22.06.2016).

Hasskommentare und Straftaten gegen betriebsfremde Dritte

Auch sogenannte Hasskommentare über betriebsfremde Dritte können arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Dies gilt insbesondere für rassistische, menschenverachtende Äußerungen. So hatte beispielsweise ein Mitarbeiter auf seinem Facebook-Profil ein Bild geteilt, das das Eingangstor des Konzentrationslagers Ausschwitz mit der Überschrift „Arbeit macht frei“ zeigt. Im unteren Bereich des Bilds befand sich ein Text auf Polnisch, der übersetzt bedeutete: „Polen ist bereit für die Aufnahme von Flüchtlingen.“ Da der Mitarbeiter auch seinen Arbeitgeber angegeben hatte, konnte das rassistische Posting also mit ihm in Verbindung gebracht werden und beeinträchtigte damit des Arbeitgebers berechtigte Interessen. Ein Grund für eine außerordentliche Kündigung wurde daher bejaht (ArbG Mannheim, Urt. v. 19.02.2016). Selbiges gilt für Aufrufe zu Straftaten wie Mord, Freiheitsberaubung oder körperlicher Misshandlung (vgl. ArbG Berlin, Urt. v. 13.06.2017).

Wichtig hierbei: Für die Ermittlung des Aussagegehalts einer Äußerung ist zentral, wie sie vom objektiven Empfänger verstanden werden muss (BAG, Urt. v. 07.07.2011; BVerfG, Urt. v. 25.10.2012). Der Mitarbeiter kann sich also nicht auf die Schutzbehauptung einer bloßen Facebook-Witzelei ­zurückziehen.

Reaktionsmöglichkeiten des ­Arbeitgebers

Ob eine außerordentliche Kündigung im Einzelfall rechtmäßig ist, ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit und Interessenabwägung.

Hierbei ist zu Lasten des Verfassers eines Hasskommentars und bei Cyber-Mobbing stets zu berücksichtigen, dass durch die Veröffentlichung eine unkontrollierte Verbreitung des Kommentars ermöglicht wird. Das zeigt sich im Einzelfall an der Zahl der Likes und Shares.

Es kommt bei Hasskommentaren im Rahmen der Interessenabwägung auch darauf an, wie der betroffene Arbeitgeber nach außen hin angemessen auf das Fehlverhalten des Mitarbeiters reagiert. Zur Minimierung des Imageschadens kann eine Kündigung durchaus angemessen sein (vgl. ArbG Herne, Urt. v. 22.03.2016; ArbG Berlin, Urt. v. 13.06.2017).

Zu berücksichtigen sind zudem noch die dem Arbeitgeber obliegenden Schutzpflichten: Gemäß § 12 Abs. 3 ist dieser verpflichtet, Maßnahmen zur Beseitigung bereits eingetretener Belästigungen und zur Verhinderung ihrer Fortsetzung zu ergreifen. Einen selbstständigen Kündigungsgrund schafft § 12 Abs. 3 AGG zwar nicht. Welche Maßnahme angemessen ist, ist eine Frage der Verhältnis­mäßigkeit, hängt also von der Schwere des Vorfalls ab. Bei wiederholtem Fehlverhalten wie ­Cyber-Mobbing und schwerwiegenden Pflichtverletzungen wie Hasskommentaren kann aber eine ­Kündigung selbst ohne ­vorherige ­Abmahnung zulässig sein.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe VORBILDER. Das Heft können Sie hier bestellen.

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