Aus dem Dorn­röschenschlaf erwacht

Knapp drei Monate vor Beginn des NSU-Prozesses in München gab Ulrich Birkenheier, Präsident des Militärischen Abschirmdiensts (MAD), der Zeitung „Die Welt“ ein Interview und kündigte den Aufbau einer eigenen Pressestelle an. Der MAD geht damit einen Schritt, den die beiden anderen deutschen Nachrichtendienste, der Bundesnachrichtendienst (BND) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) mit den 16 Landesbehörden, schon gegangen sind. Für den MAD sind jedoch sowohl das Interview mit der „Welt“ als auch der Aufbau einer Pressestelle ein Paradigmenwechsel. Noch nie hatte ein MAD-Präsident in der 57-jährigen Geschichte des Nachrichtendiensts den Schritt in die Öffentlichkeit gewagt und ein Interview außerhalb der bundeswehreigenen Medien gegeben. Doch MAD, Bundesverfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst sind unter Beschuss geraten. Im Zuge der NSU-Affäre wurde in den vergangenen Monaten öffentlich über die „dilettantische Arbeit bei der Aufklärung der rechtsterroristischen Morde des NSU“, über „weitreichende Reformen“ oder sogar die Möglichkeit einer „Abschaffung“ diskutiert. Jetzt haben sich die Nachrichtendienste selbst Offenheit und Transparenz verordnet.

Nach einem Anruf und kurzem E-Mail-Aus­tausch war der Gesprächstermin schnell vereinbart

Berlin-Lichterfelde. Umgeben von einer roten Klinkermauer befindet sich hier einer der Dienstsitze des Bundesnachrichtendiensts. Am Rande des Geländes einer ehemaligen preußischen Kaserne steht das Besucherzentrum. Dort treffe ich Martin Heinemann und Ralph Schlitt, die beiden Pressesprecher des BND, zum Hintergrundgespräch. Nach einem Anruf und dem anschließenden kurzen E-Mail-Austausch war der Termin schnell vereinbart. Dabei galt der BND lange als verschwiegen. „So intransparent, wie es häufig dargestellt wird, sind wir gar nicht“, erklärt Heinemann. „Schauen Sie mal auf unsere völlig neu konzipierte Homepage!“ Dennoch spiele Geheimhaltung für einen Nachrichtendienst bei der Erfüllung seiner Aufgaben eine wichtige, unverzichtbare Rolle. Hintergrundgespräche mit Journalisten, Broschüren, Vorträge oder Besuche von Schulklassen und anderen Gruppen gehören zu den „Standards“ des BND-Presseteams. In der neuen Zentrale, die gerade in Berlin-Mitte entsteht, wird es künftig auch ein Besucher- und Informationszentrum für Pressetermine und Besuchergruppen geben. „Dort wird die interessierte Öffentlichkeit die Möglichkeit haben, sich über den Auslandsnachrichtendienst, seine Aufgaben und Befugnisse, seine Einbettung in die deutsche Sicherheitsarchitektur, die parlamentarische Kontrolle und über den BND als modernen Arbeitgeber zu informieren,“ erläutert Heinemann. Der BND wolle sich weiter öffnen, seine Arbeit erklären und damit Vorurteile abbauen und weiter Vertrauen in seine Arbeit gewinnen. Eine dieser Einschränkungen betraf bis 1998 die BND-Sprecher sogar persönlich. „Pressesprecher des BND enttarnt sich“, titelte damals die „Berliner Zeitung“. Per Presseerklärung hatte der damalige BND-Sprecher Peter Juchartz zuvor mitgeteilt, dass er ab sofort mit seinem Klarnamen Michael Baumann ansprechbar sei. Die Verwendung eines Decknamens sei „von einigen wenn auch wenigen Medienvertretern schon immer als störend für eine gegenseitige Vertrauensbasis empfunden worden“, wird aus der Begründung zitiert. Heinemann und Schlitt seien keine Decknamen versichern die beiden Pressesprecher lachend. Doch die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Nachrichtendienste stößt schnell an ihre Grenzen. So verweigerte beispielsweise der BND die Auskunft zum Thema Nazi-Vergangenheit. Ein „Bild“-Journalist, der dagegen bis vor das Bundesverfassungsgericht zog, verlor dort den Prozess. Informationen zu operativen Einsätzen gibt es bei allen Nachrichtendiensten nicht.

Der BfV treibt im Zuge der Reform seine Kommunikation voran

„Trotz Pressefreiheit und unserer Informationsbereitschaft gibt es einfach Dinge, über die wir nicht sprechen können“, sagt auch Bodo Becker, Pressesprecher des Bundesverfassungsschutzes. Doch seit dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Hans-Georg Maaßen, treibt auch der BfV seine Kommunikation voran. „Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist zudem ein zentraler Punkt in der im Februar gestarteten BfV-Reform“, sagt Becker. Bislang war die Kommunikations­arbeit des Verfassungsschutzes eher reaktiv ausgerichtet, doch in den vergangenen Monaten habe sich das verändert, versichert Becker. „Wir arbeiten jetzt aktiver, veröffentlichen mehr Pressemitteilungen, gehen stärker auf die Medien zu und versuchen, maximal viele Interviews zu ermöglichen“, erzählt er bei einem Kaffee in einem Berliner Restaurant. Hintergrundgespräche mit Journalisten führt der BfV am liebsten „unter drei“. Da könne man ausführlicher erklären und auch einmal einen Fachabteilungsleiter oder den Präsidenten offener sprechen lassen. Doch auch O-Töne bekämen Journalisten nun häufiger. Die Abstimmungsschleife mit dem BfV-Präsidenten und dem Bundesinnenministerium funktioniere jetzt besser, sagt Becker. „Wir liefern schneller die gewünschten Statements oder finden eine Sprachregelung.“

Die weitreichendste Reform der eigenen Öffentlichkeitsarbeit hat allerdings der Militärische Abschirmdienst angekündigt. Bislang sah man dort die Bundeswehr als wichtigste Öffentlichkeit an. Man habe jedoch erkannt wie sinnvoll es sei, die eigenen Aufgaben und Leistungen auch nach außen zu präsentieren, begründet Birkenheier seine Interviewzusage gegenüber der „Welt“. Nach pressesprecher-Informationen ist derzeit die endgültige Dienstpostenstruktur im Rahmen der Bundeswehr-Umstrukturierung noch nicht festgelegt. Wann der MAD tatsächlich einen Pressesprecher präsentiert, sei ebenfalls noch nicht absehbar, heißt es aus dem PIZSKB, dem Presse- und Informationszentrum der Streitkräftebasis. In Sachen Presse- und Öffentlichkeit ist derzeit das PIZSKB dem MAD übergeordnet und wird aus diesem Grund auch in den kommenden Monaten die Medienanfragen für den MAD erst einmal weiter betreuen.

Doch das Interview mit der „Welt“ sei kein Einzelfall gewesen, heißt es aus MAD-Mitar­beiterkreisen. Weitere Interviews und Hintergrundgespräche, unter anderem mit dem „Deutschlandfunk“, dem Magazin „Cicero“, „Spiegel Online“ und mehreren Fernsehsendern, habe man bereits geführt und weitere sollen folgen. Auf die Frage der „Welt“, was nun auf die ersten Interviews folge, bremst MAD-Chef Birkenheier jedoch die Erwartungen: „Wir wollen es nicht gleich übertreiben.“

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Employer Branding. Das Heft können Sie hier bestellen.

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