ARD und ZDF setzen auf mehr Ego und Emotionalität

Reportage-Formate

Die öffentlich-rechtlichen Sender setzen bei ihrer neuen Generation von Reportage-Formaten für junge Zielgruppen auf eine noch stärkere Emotionalität und Ich-Zentrierung. Zugleich scheint das Angebot an solchen Formaten übersättigt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung von Forschenden der Hochschule Mittweida, die die Otto-Brenner-Stiftung publiziert hat.

Im Fokus der Studie standen die Presenter-Reportageformate „Vollbild“ (SWR), „Exactly“ (MDR), „Ultraviolet Stories“ (ZDF), „Crisis – Hinter der Front“ (SWR) und „Puls Reportage“ (BR). Die Forschenden untersuchten insgesamt 427 Reportagen, die zwischen 2021 und 2024 veröffentlicht wurden. Presenter-Formate zeichnet aus, dass die Reporter nicht nur hinter der Kamera, sondern auch im Zentrum der Geschichte stehen. Ihre Erfahrungen, Zweifel, Emotionen und Perspektiven sind integraler Bestandteil der Beiträge. Etabliert sind die Funk-Formate „Y-Kollektiv“ und „STRG_F“, an deren Tradition die neue Generation anknüpft.

Andere Quellen und investigative Recherchen fehlen

Die neuen öffentlich-rechtlichen Formate würden noch konsequenter als ihre Vorgänger auf die Ich-Perspektive der Reporter setzen. Zwar seien die neuen Formate facettenreicher, würden perspektivische und geografische Lücken schließen, wie Studienautor Janis Brinkmann betont: „Durch ‚Exactly‘ und ‚Crisis – Hinter der Front‘ haben ostdeutsche Lebenswirklichkeiten und internationale Konflikte einen deutlich höheren Stellenwert, als das bei den älteren Funk-Reportagen der Fall war.“

Die Forschenden kritisieren jedoch, dass in vielen Beiträgen die Reporter nicht nur Erzähler, sondern auch Hauptquelle, Akteure und Bewertende seien. Investigative Recherchen und andere Quellen seien hingegen kaum erkennbar, wissensorientierte oder erklärende Aufbereitungsstrategien kämen nur am Rande vor. „Was authentisch gedacht ist, kann auch ins Selbstreferenzielle kippen, wenn echte Erfahrungen und Erlebnisse der Reporter*innen fehlen, aber persönliche Bezüge trotzdem integriert werden sollen. Das führt dann in manchen Fällen zu einem wenig authentischen Selfie-Journalismus“, kommentiert Brinkmann.


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Mit Ausnahme von „Puls Reportage“ kommt der Studie zufolge keines der untersuchten Formate an die digitalen Reichweiten von „STRG_F“ oder „Y-Kollektiv“ heran. Die Autoren sehen darin die Gefahr einer gewissen Übersättigung der jungen Zielgruppe mit subjektiv präsentierten Inhalten. Ein Grund könnte demnach sein, dass einzelne Themen und Perspektiven in den Reportagen redundant vorkommen: „Leider wiederholen einige der neuen Formate alte Themen und Perspektiven. Nicht alle schaffen es, ein erkennbar eigenes journalistisches Profil zu entwickeln“, erklärt Brinkmann.

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