Aktionismus vermeiden

Herr Lahme, das Thema Nachhaltigkeit ist für viele Konzerne doch sicher zunächst einmal eher unangenehm. Warum bemühen sie sich dennoch zunehmend um Corporate Social Responsibility?
Georg Lahme: Der Druck nimmt zu, sich mit Themen wie der Ressourcenknappheit zu befassen. Ausgeübt wird er beispielsweise durch kritische Stakeholder, anspruchsvolle Konsumenten und Wettbewerber, die sich in diesem Bereich Pluspunkte verschaffen. Viele möchten daher durch Initiativen oder Nachhaltigkeitsberichte „schnelle Erfolge“ erzielen. Meine Hauptbotschaft an dieser Stelle ist allerdings: Vermeiden Sie Aktionismus und Schnellschüsse! Egal, ob es sich um einen umfassenden Strategieprozess oder punktuelle Botschaften handelt, man muss sich im Klaren sein, dass das Thema komplex ist und die Interessengruppen ganz genau hinschauen.

Was sind mögliche Fallstricke in der Kommunikation von CSR?
Wer sich mit Nachhaltigkeitsbotschaften nach außen richtet, macht sich immer auch angreifbar. Gerade in den Lieferketten großer Unternehmen gibt es häufig Risiken – wie beispielsweise eine zuliefernde Textilfabrik in Bangladesch –, die man nicht von heute auf morgen eliminieren kann. Unternehmen müssen also antizipieren, dass von Stakeholdern Kritik kommt und auf diese eingehen. Im Nachhaltigkeitsbericht, in der PR oder im Marketing nur die positiven Dinge hervorzuheben, funktioniert nicht.

Wer interessiert sich denn überhaupt für Nachhaltigkeitsberichte?
Besonders die Belegschaft des Unternehmens. Dass der Nachhaltigkeitsgedanke unter den Mitarbeitern angekommen und verankert ist, ist eine Voraussetzung für erfolgreiche CSR-Kommunikation. Wesentliche Zielgruppen sind aber auch Kunden aus dem B2B-Bereich und die gesellschaftlichen Interessengruppen, die das Unternehmen beobachten. Auch der Politik wird durch gut aufbereitete Nachhaltigkeitsstrategien und -berichte signalisiert, dass die Wirtschaft bereit ist, sich zielgerichtet und überprüfbar an der Lösung großer gesellschaftlicher Herausforderungen zu beteiligen.

Glauben Sie, Konsumenten werden immer sensibler dafür, unter welchen Umständen Produkte entstehen?
Da bin ich ganz sicher. Es gibt auch Zahlen, die belegen, dass eine nachhaltige Produktion vor allem mit Blick auf das Thema Ernährung immer wichtiger wird. Man sieht das ja auch: Im Supermarkt gibt es mehr und mehr als „regional“ gekennzeichnete Waren, „Fair Trade“ Produkte et cetera. Verbraucher achten zunehmend darauf, Nachhaltigkeit ist inzwischen kein Nischenthema mehr. Das ist auch ein Verdienst des Marketings – Rewe und Edeka sind da gute Beispiele: Indem am Point of Sale viel über Nachhaltigkeitsaspekte gesprochen wird, können Unternehmen das Konsumverhalten positiv beeinflussen. Manche Kritiker schreien zwar dann schnell „Greenwashing“, aber genauso wichtig wie ein umfassender Dialog mit kritischen Stakeholdern ist, dass die großen Markenartikler ihre kommunikative Reichweite nutzen, um die Aufmerksamkeit der Kunden auf dieses Thema lenken. Es geht dabei manchmal mehr darum, die breite Masse mit einfachen, greifbaren Nachhaltigkeitsbotschaften zu erreichen, als in die Tiefe zu kommunizieren. Die Crux ist, dass viele Kunden noch nicht bereit sind, mehr Geld für nachhaltige Produkte auszugeben. Eine große Herausforderung besteht also darin, auch schnelldrehende Konsumgüter nachhaltiger herzustellen und zu einem guten Preis-Leistungsverhältnis anzubieten.

Welche Kommunikationskanäle sind für CSR-Kommunikation besonders geeignet?
Der Mix macht’s. Bevor die verschiedenen Kanäle bespielt werden, sollte man die Erwartungen aller Stakeholder-Gruppen kennen. Die Kommunikation von Nachhaltigkeit nach innen, also prozessbegleitende Veränderungskommunikation, die auf Dauer angelegt sein sollte, ist essenzielle Voraussetzung für den Erfolg jeder externen Kommunikation. Nach außen braucht es dann Dialogelemente für die Kommunikation mit Interessengruppen, die externe Erwartungen und Expertise einbeziehen. Die Kommunikation von Nachhaltigkeitsbotschaften ist vor allem dann glaubwürdig, wenn alle wesentlichen Kanäle der Unternehmens- und Markenkommunikation genutzt werden, um eine umfassende Geschichte zu erzählen und Interaktion mit dem Umfeld zu erzeugen. Das schließt ein, transparent zu sein und auch bereit zu sein, Schwachpunkte zu benennen. Kritik zuzulassen, heißt allerdings auch, auf Kritik vorbereitet zu sein und Antworten parat zu haben.

Viele Unternehmen kooperieren für mehr Glaubwürdigkeit mit Organisationen, wie beispielsweise VW und der NABU. Was halten Sie von Partnerschaften mit NGOs?
Solche Partnerschaften sind wichtig. Hier geht es darum, Expertise zusammenzubringen, um ein relevantes Thema wirkungsvoll zu bearbeiten. Mit platten Marketinglabels kommt man nicht weit. In solchen Kooperationen sollte es dann auch wirklich einen konstruktiven Dialog geben, der auf die Lösung von Problemen abzielt. Die Organisation sollte ihre Neutralität wahren und aufpassen, dass sie nicht zu nah an die Interessen der Wirtschaft gerät.

Worin sehen Sie die künftigen Trends der Nachhaltigkeitskommunikation?
Es bewegt sich einiges. Vor fünf oder zehn Jahren haben sich Unternehmen gefragt, warum sie sich überhaupt mit Nachhaltigkeit befassen sollten. Heute gehört das mit dazu, der Transparenzdruck, der durch die zunehmende Digitalisierung verstärkt wird, und der gesellschaftliche Wertewandel sind im Management angekommen. Ich denke, dass auch das Bewusstsein wachsen wird, dass CSR-Kommunikation nicht das Senden einer Pressemitteilung ist, sondern ein dialogischer partizipativer Prozess. Ein Trend besteht sicherlich auch in der digitalen Echtzeit-Kommunikation. Der Kommunikator gibt nicht einfach Botschaften nach außen. Eine Nachhaltigkeitspositionierung schließt immer mit ein, dass die Dinge hinterfragt und kommentiert werden. Auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit sind interne und externe Kommunikation nicht nur Beiwerk, sondern echte Treiber.

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