Die Fähigkeit zu schreiben und zu lesen, aber auch das Wissen über ein bestimmtes Thema zu haben: das englische Wort Literacy – auf Deutsch: Kompetenz – beschreibt viele Facetten. Derart umfassendes Wissen wird für Unternehmen bald rund um die künstliche Intelligenz zur Pflicht. Laut EU AI Act müssen sie ab 2. Februar dieses Jahres für ihre Mitarbeitenden besagte KI Literacy sicherstellen, wenn sie KI-Tools zur beruflichen Nutzung bereitstellen.
KI-Einsatz im Regulierungsdschungel
Ob Urheberrecht, DSGVO oder AI Act: Allein der rechtliche Rahmen, in dem sich generative KI bewegt, ist schwer zu überblicken. Studien wie der „Randstad Report“ stellen fest, dass sich viele Mitarbeitende nur unzureichend auf die KI-Nutzung im Arbeitsalltag vorbereitet fühlen, obwohl sie dem Thema grundsätzlich gegenüber aufgeschlossen sind. Laut dem „IBM Trend Report“ haben aber nur wenige Unternehmen KI-Wissen, -Fähigkeiten und -Fertigkeiten in die berufliche Entwicklung der Mitarbeitenden integriert.
Die Auflagen in Artikel 4 des EU AI Acts verpflichten Unternehmen in Europa nun darauf, diese Unsicherheit zu beenden. Wörtlich heißt es:
„Die Anbieter und Betreiber von KI-Systemen ergreifen Maßnahmen, um nach bestem Wissen und Gewissen sicherzustellen, dass ihr Personal und andere Personen, die in ihrem Auftrag mit dem Betrieb und der Nutzung von KI-Systemen befasst sind, über ausreichende KI-Kenntnisse verfügen, wobei ihre technischen Kenntnisse, ihre Erfahrung, ihre Aus- und Weiterbildung und der Kontext, in dem die KI-Systeme eingesetzt werden sollen, sowie die Personen oder Personengruppen, bei denen die KI-Systeme eingesetzt werden sollen, berücksichtigt werden.“
Was genau ist KI-Kompetenz?
Was unter KI-Kenntnissen zu verstehen ist, wird im Gesetzestext nicht weiter präzisiert. Eine Orientierung bietet eine im vergangenen Herbst veröffentlichte Preview-Studie von Forschenden aus Australien (PDF). Darin beschreiben sie vier Dimensionen der KI-Kompetenz:
- Wissen: KI-Grundlagen kennen und verstehen, zum Beispiel, wie KI-Modelle lernen und Ergebnisse generieren.
- Anwenden: Sich mit KI-Tools wohlfühlen, sie nutzen und selbstbewusst im Alltag einsetzen.
- Beurteilen: Potenzial und Grenzen von generativer KI richtig einschätzen und bewerten.
- Ethik: Gefahren kennen sowie kritisch hinterfragen, wie der KI-Einsatz die Gesellschaft beeinflusst.
Wie lässt sich KI-Kompetenz prüfen?
Um KI-Kompetenz abzufragen, entwickelten die Forschenden den „GenAI Literacy Assessment Test“ (GLAT). Er besteht aus 20 Multiple-Choice-Fragen, die alle vier Dimensionen der KI-Kompetenz abdecken. Etwa die folgenden:
- Welche der folgenden Aussagen beschreibt „Generative KI“ am besten?
- Was bedeutet „Zero-Shot-Learning“ im Kontext generativer KI?
- Welche der folgenden Strategien ist bei der Verwendung von generativer KI zur Erstellung eines Marketing-Pitches wahrscheinlich am wenigsten effektiv?
Fragen wie diese sollten Mitarbeitende demnächst möglichst beantworten können.
Prüfen Sie Ihr Wissen: Wie KI-fit sind Sie?
Die Fragen basieren auf dem „GenAI Literacy Assessment Test“ (GLAT), entwickelt von Forschenden der Monash University in Melbourne (Australien).
Von Schulung zu Shift
Ob zu Recht, Ethik oder Prompting – Angebote für KI-Weiterbildung gibt es inzwischen viele. Für Unternehmen ist es höchste Zeit, Schulungen wie diese anzubieten.
Doch damit allein ist es nicht getan. Die Implementierung von KI im Unternehmen erfordert vielmehr einen umfassenden Wandel – einen Shift. Denn KI erfolgreich in den Unternehmensalltag zu integrieren, erfordert mehr als nur technisches Know-how. Es geht um einen kulturellen Wandel, bei dem die Mitarbeitenden eine aktive Rolle spielen. Der bereits erwähnte „IBM Trend Report“ beispielsweise stellt jedoch fest, dass ein formales Change-Management-Konzept oft fehlt.
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Mit den folgenden sieben Maßnahmen schaffen Sie ein Umfeld, in dem KI-Kompetenz gedeihen kann:
1. Zeit und Ressourcen bereitstellen.
Räumen Sie Mitarbeitenden Zeit für Schulungen und Experimente ein. Organisieren Sie praxisnahe Weiterbildungen, die sich in den Arbeitsalltag integrieren lassen.
2. Kontinuierliches Lernen fördern.
Wiederholen Sie Schulungen regelmäßig mit aktualisierten Inhalten. Bieten Sie praktische Übungen an, die auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden zugeschnitten sind.
3. Interdisziplinäres Team aufbauen.
Stellen Sie ein Kernteam aus IT, HR und Kommunikation zusammen, das die Tool-Einführung koordiniert. Etablieren Sie zusätzlich „AI Ambassadors“ aus verschiedenen Abteilungen als Multiplikator:innen und Ansprechpersonen.
4. Praxisnahe Anwendungsfälle testen.
Erproben Sie mit den AI Ambassadors konkrete Anwendungsfälle und präsentieren Sie diese als Inspiration für alle Mitarbeitenden.
5. Kommunikation und Austausch fördern.
Richten Sie einen Chat-Kanal für Fragen und Informationen ein und integrieren Sie KI-Themen in regelmäßige Meetings. Sorgen Sie für eine aktive Moderation durch das Kernteam oder AI Ambassadors.
6. KI-Leitfaden entwickeln.
Erstellen Sie Richtlinien für den KI-Einsatz im Unternehmen. Damit bieten Sie Ihren Mitarbeitenden Orientierung und schaffen Transparenz gegenüber Kunden.
7. Kulturellen Wandel gestalten.
Fördern Sie eine offene Einstellung gegenüber KI und ermutigen Sie alle Mitarbeitenden, aktiv am Integrationsprozess teilzunehmen.
Es ist die Kombination aus spezifischen Schulungen und kulturellem Wandel, die für eine nachhaltige KI-Kompetenz im Unternehmen sorgt. Falls noch nicht geschehen, bietet der EU AI Act nun einen guten Anlass, um den Anfang zu machen.
Dieser Beitrag ist Teil der Themenreihe „How-to GenAI“, die sich mit dem Einsatz von generativer künstlicher Intelligenz in der Unternehmenskommunikation beschäftigt. Regelmäßig erscheinen an dieser Stelle Beiträge wechselnder Autor*innen zu theoretischen und praktischen Aspekten.