Die Welt verändert sich. Schnell. Sehr schnell. Schneller, als uns lieb ist. Seien wir mal ehrlich: Eigentlich kommen wir bei allem gar nicht mehr hinterher. Dank des digitalen Zeitalters verarbeiten wir heute mehr Informationen an einem Tag, als es unsere Großeltern in einer ganzen Woche getan haben – umgekehrt bewegen wir uns wahrscheinlich in einer Woche genauso viel wie unsere Großeltern an einem Tag. Mehr Schnelligkeit, mehr Informationen. Das Resultat ist eine mentale Erschöpfung, die genauso schädlich ist wie die körperliche. Es ist besorgniserregend.
Aber wenigstens ist dafür der Content, den wir konsumieren, richtig inspirierend, oder? Leider ist das nicht der Fall. Ein Blick auf die tägliche Nachrichtenlage zeigt: Bad news still sell better than good news! Skandal hier, Missmanagement da, Krise überall. Dauerhaft negative Nachrichten führen zu zwei Phänomenen: Erstens führen sie zu noch mehr mentaler Erschöpfung. Zweitens zu weniger Vertrauen: Dank dauerhafter Beschallung durch negative Nachrichten fällt es uns als Menschen zunehmend schwer, anderen Menschen zu vertrauen. Das ist traurig.
Wo bleibt der Optimismus? Wo sind die positiven Nachrichten hin? Die gibt es auf den privaten Kanälen in den sozialen Medien. Aber leider nur zum Angeben. Denn hier findet die unendliche Zurschaustellung vermeintlicher Perfektion statt. Als Dauerschleife. Ständig auf der Jagd nach dem perfekten Essen, dem perfekten Urlaub und den perfekten Momenten, die wir auf unseren Social-Media-Kanälen teilen können. Inspirierte Reaktionen unserer Follower sind Fehlanzeige.
Unsere Aufmerksamkeitsspanne als Mitglieder der „Swipe Society“ nähert sich der Nullgrenze. Dafür wächst unsere emotionale Abgestumpftheit. Hand aufs Herz! Fühlen wir noch wirklich echte Emotionen bei irgendeinem Post? Ich habe daran meinen Zweifel. Wer hätte jemals gedacht, dass das Internet mit dem gesamten Wissen der Menschheit die Menschheit selbst stumpfer und einfältiger oder sogar dümmer machen könnte?
PR sucht Perfektionismus
Und was macht die Sprache in Unternehmen? Leider exakt das Gleiche. PR sucht Perfektionismus – ohne Fehler, ohne Kanten, ohne Ecken. Alles muss perfekt sein. Und die Zielgruppe? Sie fühlt sich geblendet von dem, was an der Oberfläche stattfindet, und den glatt geschliffenen Worten. Es gibt keine Antwort. Keine Reaktion. Kein Engagement. Kein Vertrauen.
Was bedeutet das für die Kommunikatorinnen und Kommunikatoren von heute? Erstens: Unser Job wird schwerer. Zweitens: Kommunikation bedeutet Verantwortung. Nämlich die Verantwortung, anders zu sein. Und selbst mutig voranzugehen. Denn der einzige Weg, eine Gegenbewegung zu der emotionalen Stumpfheit zu schaffen, ist, exakt das Gegenteil zu tun. Sich zu öffnen, manchmal auch mehr, als einem selbst lieb ist.
Den Mut zu zeigen, authentisch zu sein. Zu dem zu stehen, wie man als Person wirklich ist. Mit allen Facetten. Mit Macken, Schwächen und Verletzlichkeit. Denn nur wer das Unperfekte von sich zeigt, wird es schaffen, die Herzen anderer zu erobern! Das Teilen von Gedanken, Sorgen und Ängsten ist der natürlichste Weg, zwischenmenschliche Beziehungen zu stärken. Von Mensch zu Mensch; Human to Human. Auf den Punkt: We need more f****** authenticity!
Ich persönlich habe Ängste und Sorgen. Ich befürchte, dass wir zu wenige Menschen in unserer Kommunikationsbranche haben, die mutig genug sind, eigene Gefühle zu offenbaren und Emotionen in die Sprache ihrer Unternehmen zu tragen, um daraus eine wirkliche Stärke zu machen.
Gleichzeitig habe ich große Hoffnungen, dass wir mit der richtigen Einstellung und Sensibilität es selbst in der Hand haben, genau das zu ändern. Kommunikation zu gestalten, bedeutet Vorbild zu sein. Mutig und unperfekt. Um Sprache mit Emotionen zu füllen, Worten Bedeutung zu verleihen und echtes Engagement und Vertrauen zu erzeugen – für eine menschlichere Sprache in Unternehmen, aber vor allem für die Menschen selbst. Ich zähle auf euch!
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #HiddenChampions. Das Heft können Sie hier bestellen.