Was Frauen den Aufstieg erschwert

Karriere

An der Spitze der 160 deutschen Börsenunternehmen stehen häufiger Christians als Frauen. Dieses Ergebnis einer Studie der gemeinnützigen Allbright-Stiftung aus dem vergangenen September zeigt, wie Frauen sich in Führungsetagen hierzulande noch immer fühlen müssen: recht einsam. Aktuell sind nur sieben der Vorstandsvorsitzenden Frauen. Das heißt, rund 96 Prozent sind nach Angaben von Allbright männlich. Mit Bettina Orlopp von der Commerzbank, Karin Rådström von Daimler Truck und Belén Garijo von Merck führen lediglich drei Frauen einen Dax-40-Konzern, was einer Quote von 7,5 Prozent entspricht.

In der Unternehmenskommunikation sieht es besser aus: 32 Prozent der Personen an der Spitze der Kommunikationsabteilung von Dax-Konzernen waren im Jahr 2024 weiblich. Im Vergleich mit führenden Unternehmen aus Frankreich, Irland, den Niederlanden, Großbritannien und den USA ist das allerdings der niedrigste Wert, wie eine Analyse führender Personalberatungen zeigt.

Und angesichts des hohen Anteils an Frauen im Berufsfeld insgesamt ist die Quote in den Top-Jobs niedrig. 63 Prozent der PR-Professionals hierzulande sind Frauen; zwei Drittel der Kommunikationsabteilungen beschäftigen mehr Frauen als Männer. Das zeigt eine gemeinsame Erhebung des Bundesverbands der Kommunikatoren (BdKom) und der Quadriga Hochschule unter 1.700 Beschäftigten aus dem Berufsfeld PR und Unternehmenskommunikation aus dem Frühjahr 2024.

Demnach waren 57 Prozent der Gesamtleitungsstellen von Frauen besetzt. 61 Prozent der Leitungsstellen eines Teilbereichs und 72 Prozent der Gruppen-, Team- oder Projektleitungen lagen in den Händen von weiblichen Führungskräften. Das war nicht immer so: Erst seit 2015 hat sich das Geschlechterverhältnis in Führungspositionen zugunsten von Frauen nachhaltig verändert. Noch immer tragen der Studie zufolge im Berufsfeld tätige Männer häufiger Führungsverantwortung.

Aufstieg mit Hindernissen

Wie gelangen Frauen in Top-Positionen? Eine Antwort auf diese Frage liefert eine Analyse der GK Personalberatung und der Quadriga Hochschule aus dem vergangenen Jahr. Die Autorinnen und Autoren haben sich gefragt, welcher Weg an die Spitze der Unternehmenskommunikation führt. Dafür schauten sie sich die Lebensläufe und Karrieren der Kommunikationschef*innen aus den 150 umsatzstärksten Unternehmen im deutschsprachigen Raum an. Anschließend clusterten sie die Ergebnisse in vier Karrierepfade. Frauen, die 46 Prozent der Top-Positionen halten, sind vor allem in zwei Clustern repräsentiert.

Viele sind demnach studierte Betriebswirtinnen und haben im Ausland Berufs- und Führungserfahrung gesammelt, bevor sie mit im Schnitt 51 Jahren Kommunikationschefin wurden. Kommunikationsspezifische Weiterbildungen oder Zusatzqualifikationen bringt diese Gruppe nicht mit. Die anderen sind oft relativ jung – mit im Schnitt 43 Jahren – in ihre Position gekommen, meist durch eine interne Beförderung. Sie besitzen viel Know-how im Kommunikationssektor, aber wenig Führungserfahrung.

In der Gruppe der 29- bis 39-Jährigen gibt es der BdKom-„Berufsfeldstudie“ zufolge fast dreimal so viele Frauen wie Männer, bei den 40- bis 49-Jährigen zweimal so viele. Bei den 50- bis 59-Jährigen sind mehr als die Hälfte (55 Prozent) der Befragten weiblich. Die PR wird damit auf absehbare Zeit eine Frauen-Domäne sein.

Weibliche Vorbilder sind ein Faktor, der Frauen ermuntert, eine Führungsrolle zu übernehmen. Das betont nicht nur die Allbright-Stiftung seit Jahren. Das scheinen Frauen auch selbst so zu empfinden. Drei von vier sagen, dass Frauen im Vorstand die Beförderung von anderen Frauen erleichtern könnten. Zu diesem Ergebnis kam jedenfalls eine Umfrage unter knapp 1.000 weiblichen PR-Fach- und Führungskräften, die das britische Marktforschungsinstitut Opinium im Auftrag des Vereins „Global Women in PR“ (GWPR) im vergangenen Sommer weltweit durchführte. 71 Prozent der Befragten wünschten sich demnach mehr weibliche Role Models, 65 Prozent Mentoring-Programme.

Wichtiger scheinen den Frauen aber flexible Arbeitsbedingungen zu sein. 74 Prozent der Befragten sprachen sich dafür aus. Kinder oder pflegebedürftige Angehörige sind der Umfrage nach das größte Hindernis für den Aufstieg von Frauen in Führungspositionen. In Deutschland, wo 176 Frauen an der Umfrage teilnahmen, stimmten 97 Prozent dieser Aussage zu. 81 Prozent sind hierzulande der Meinung, dass fehlende Betreuungs- und familienfreundliche Maßnahmen ihren Aufstieg behindern.

Eine Auszeit vom Job hat demnach oft negative Folgen. Die Befragten gaben an, dass sie bei ihrer Rückkehr in den Beruf bei Beförderungen übersehen oder auch schlechter bezahlt worden seien. Viele beklagten einen Mangel an Transparenz bei Einstellungs- und Beförderungsprozessen.

Frauen berichten von Belästigung am Arbeitsplatz

Davon abgesehen muss auch das Arbeitsklima stimmen. In einigen PR-Abteilungen scheint es an Sensibilität zu fehlen. In der erwähnten GWPR-Umfrage gab jede zweite Frau an, dass sie schon einmal am Arbeitsplatz belästigt oder gemobbt worden sei. Jede Dritte berichtete von sexualisierter Belästigung. Die Mehrheit der Frauen – in Deutschland 74 Prozent – entschied sich, nicht gegen die Belästigung vorzugehen, aus Angst vor negativen Folgen für ihre Karriere oder vor Vergeltungsmaßnahmen. Jede dritte Frau, die eine Belästigung gemeldet hatte, verließ der Umfrage zufolge das Unternehmen oder wurde aufgefordert, es zu tun.

„Das Thema Arbeitszeit-Flexibilität in seinen verschiedenen Varianten wird uns noch lange beschäftigen. Auch unsere Studie belegt: Der Bedarf ist unstrittig“, sagte Cornelia Kunze, erste Vorsitzende von Global Women in PR in Deutschland. „Ein bedenkliches Ergebnis unserer Umfrage ist der Umgang mit Mobbing und Belästigung. Wir müssen dafür sorgen, dass Kolleginnen diese Vergehen melden können, ohne Angst vor negativen Konsequenzen zu haben.“

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