Standards schaffen Vertrauen

Journalismus

Vor einem Monat habe ich mich in meiner Kolumne über die Tendenz mancher Journalisten und Redaktionen zu einer einseitigen, subjektiven, parteiischen und manchmal auch irreführenden, weil inhaltlich schlicht falschen Berichterstattung aufgeregt (kann man hier nachlesen). Die Rückmeldungen waren ganz erstaunlich: Viele Pressesprecher von Unternehmen, Konzernen, IHKs oder aus der Justiz und andere mehr sahen sich in ihren eigenen Beobachtungen bestätigt. Auch einige Journalisten-Kollegen von Medien haben meine Ansichten geteilt, das waren aber schon deutlich weniger. Von den journalistischen Berufs- und Medienverbänden war leider wenig Resonanz zu hören. Es hätte ja nicht einmal Zustimmung sein müssen. Schön wäre es, wenn eine solche Medienkritik zumindest eine Diskussion anregt.

Aber man tut sich schwer damit. Kritik an Kollegen sei nicht gerne gesehen, schrieb mir schon vor Jahren die Redakteurin eines Journalisten-Magazins. Das ist natürlich schade, denn erstens geht es mir nicht um die bloße Kritik, sondern um den Appell, mehr Qualität und Verlässlichkeit in den deutschen Journalismus zu bringen – und zwar vom bundesweiten politischen Magazin bis zum Lokalblatt. Und zweitens: wenn wir als Journalisten selbst nicht in der Lage sind, Qualitätsstandards in unserer Branche aufrecht zu erhalten und Missstände abzustellen, verlieren wir weiter an Ansehen. Irgendwann kann ich den unsäglichen „Lügenpresse“-Vorwürfen auch nichts mehr entgegensetzen.

Da müssten Alarmglocken schrillen

In vielen Seminaren, die ich gebe, werde ich immer wieder damit konfrontiert, dass Journalisten Medienanfragen stellen und aus den Antworten Beiträge stricken, die die Informationen ungenau oder verfälscht wiedergeben oder gar das Gegenteil der ursprünglich erhaltenen Botschaft. Andere bauen ein Interview so um, dass sie in die gegebenen und autorisierten Antworten nachträglich eine Frage einfügen, die den Sinn des Folgenden völlig entstellt.

Ich gebe mir dann große Mühe zu verstehen, zu beraten und zu klären, was die Pressestelle hätte anders machen können. Manchmal findet sich durchaus Optimierungspotenzial. Manchmal muss ich aber auch einräumen, dass hier Journalisten-Kollegen schlicht falsch oder verdreht berichtet haben – ganz bewusst oder weil sie es nicht besser können. Von dem Fall, in dem der in der Bonner Lokalzeitung zitierte, mit einem Preis bedachte Unternehmer die Plattform Linkedin nutzt, „um die Deutungshoheit nicht der Presse zu überlassen“, hatte ich berichtet. Da müssten eigentlich im Journalismus und bei seinen Repräsentanten sämtliche Alarmglocken schrillen. Tun sie aber nicht.


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Ich hatte schon Anfang 2022 geschrieben, dass wir eine weniger negative und skandalisierende Berichterstattung brauchen. Stattdessen eine, die wieder mehr die Wirklichkeit abbildet – wohl wissend, dass Wirklichkeit und Wahrheit im subjektiven menschlichen Miteinander immer dehnbare Begriffe sind. Manche Begriffe kann man aber auch überdehnen. Dann leidet irgendwann die Glaubwürdigkeit allgemein, und dann haben wir als Journalisten und Kommunikationsmenschen ein Problem.

Journalisten sind keine Ordnungshüter

Der Medienwissenschaftler Wolfgang Donsbach hatte nach Untersuchungen schon in den 1980er-Jahren (ja, ist lange her) festgestellt, dass „bei nicht wenigen deutschen Journalisten die Kritik und das Aufdecken von Missständen im Vordergrund stehen, während englische Journalisten es als ihre Hauptaufgabe ansehen, zu informieren“. Vermutlich lässt sich das heute nicht mehr so deutlich differenzieren, aber die Tendenz zu einer Art „Sheriff-Journalismus“ scheint jedenfalls nicht ganz neu. Kritisches Nachfragen und distanzierte Berichterstattung sind wichtig. Aber wenn Missstände und Skandälchen verbreitet werden, die gar nicht existieren, läuft etwas schief.

Ob eine mangelhafte oder an dieser Stelle falsche Journalisten-Ausbildung der Grund des Übels ist, vermag ich nicht zu sagen. Vielleicht haben einige Kollegen auch einfach nur ein falsches Verständnis von ihrem Beruf. Der hat nämlich meines Erachtens vor allem die Information und sachgemäße Aufarbeitung komplexer Inhalte zum Ziel und erst in einem zweiten Schritt deren Bewertung. Genau diese Reihenfolge bringen aber manche durcheinander.

Wie gesagt, ich spreche hier immer von Einzelfällen. Die aber fallen unangenehm auf und richten mit ihrer oft einseitigen, parteiischen oder voreingenommenen Berichterstattung in einer Zeit, in der Presse in einigen Regionen unseres Landes ohnehin ein schweres Spiel hat, ein Desaster an. Das muss sich ändern.

Presse verstehen, um gute Pressearbeit zu machen

Das wäre jetzt der Bogen zur Journalisten-Ausbildung. Ich wollte ja, wie schon in meiner letzten Kolumne angekündigt, eigentlich über das Volontariat schreiben. Da gibt es nämlich offenbar auch ganz unterschiedliche Vorstellungen und ein paar Missverständnisse darüber, was ein Volontariat leisten soll, was es beinhaltet und was diejenigen, die es absolvieren, für ihre künftige Arbeit mitnehmen.

Hintergrund ist, dass ich zwei Teilnehmerinnen in meinem Presse-Seminar hatte, die zumindest laut Vertrag in der Pressestelle ein „Volontariat“ absolvieren. Dazu gehört nach meinem Verständnis unbedingt, dass sie – auch wenn sie in der Pressestelle angestellt sind und/ oder es sie später in die Pressearbeit und nicht in den Journalismus zieht – im Laufe des Volontariats mindestens eine, besser mehrere Redaktionen von innen gesehen haben müssen: Zeitung, Radio, TV, Online, vielleicht auch Nachrichtenagentur. Mehr als nur sehen – sie müssen die Abläufe erleben und verstehen, am besten auch mitarbeiten. Denn nur wer weiß, wie Presse tickt (einmal diejenigen ausgenommen, die nicht richtig ticken), kann auch eine Pressearbeit machen, die den Erwartungen und Anforderungen von Presse entspricht.

War in diesem Fall aber nicht so. Beide Teilnehmerinnen gaben an, dass sie noch nie in einer Redaktion waren und dass das auch nicht vorgesehen sei. Da fragt man sich als Betrachter: Was soll das für ein Volontariat sein? Wenn im Laufe der Berufsjahre Kommunikationsleute von Pressestellen in Redaktionen wechseln oder auch umgekehrt, sollten sie auch eine ähnliche Ausbildung genossen haben. Sonst stimmt da was nicht.

Der Fall der beiden Seminar-Teilnehmerinnen betrifft natürlich nicht alle Volontariate, sondern vielleicht nur ganz wenige. Viele Volontäre werden hoffentlich eine sehr gute Ausbildung bei erfahrenen und geschätzten Kolleginnen und Kollegen absolvieren. Aber auch hier gilt: Qualitätsstandards, die für alle (!) gelten, sind wichtig. Und die können nur aus dem Beruf und von seinen Vertretern, Gremien und Verbänden selber kommen.

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