Schnelle Eingreiftruppe mit Mission

Karriere

In einer Krise muss es häufig schnell gehen. Für Kommunikatoren heißt das, sofort relevante Perspektiven erfassen, einordnen und stimmige Botschaften überzeugend vermitteln zu können. Perfektes Timing ist das A und O. Für solche punktuellen Kriseneinsätze muss man in der Lage sein, sich schnell und souverän durch eine meist chaotische Gemengelage aus vielen Interessensgruppen zu manövrieren.

Krisenkommunikation hat sich als essenzieller Bestandteil der Unternehmensstrategie etabliert. Aus diesem Grund haben sich etliche Agenturen und Berater auf solche Szenarien spezialisiert. Ob Cyberattacken, Shitstorms oder Restrukturierungen – der Bedarf ist groß. Gerade in akuten Krisensituationen hat der schnelle interimistische Einsatz für beide Seiten enorme Vorteile: Externe Berater können schnell ihr erprobtes Know-how einsetzen. Und Unternehmenssprecher wissen die wertvolle Entlastung ihres Teams zu schätzen.

Nicht nur in Krisenzeiten 

Das Modell einer schnellen Eingreiftruppe mit klarer Mission kann auch über Krisenzeiten hinaus sinnvoll sein. In den Kommunikationsabteilungen sind die Teams oft knapp besetzt. Qualifizierte Fachkräfte sind am Markt rar. Die Anforderungen an die Unternehmenskommunikation steigen stetig. Das zeigt auch das Ergebnis der jüngsten Berufsfeldstudie von BdKom und der Quadriga Hochschule. Demnach geben 63 Prozent von rund 550 befragten Kommunikationsentscheidern an, berufserfahrene Kommunikationsexperten seien besonders gefragt, aber es gebe zu wenige.

Allein mit Berufseinsteigern lässt sich die Kompetenzlücke wohl kaum füllen. Im Gegenteil: Unternehmenskommunikation wird komplexer, da digitale Innovationen, gesellschaftliche Veränderungen und nicht zuletzt regulatorische Anforderungen innerhalb der Organisationen immer besser verbunden werden müssen. Diese Fäden laufen nicht selten bei der Kommunikationsarbeit zusammen. „Die Fähigkeit, diese Faktoren strategisch zu orchestrieren, wird künftig über den Erfolg der Unternehmenskommunikation entscheiden,“ hält Christian Berens, Geschäftsführer von NetFed fest. Agile Kommunikation bedeute nicht, schneller zu reagieren, sondern intelligenter. Allerdings macht die zunehmende Komplexität eine klare Abgrenzung zwischen internen und externen Aufgaben immer schwieriger.

Auf Vertretungsrollen beschränkt

Personalvermittlern zufolge gewinnen externe Berater in Pressestellen zwar zunehmend an Bedeutung – allerdings vor allem in klassischen Vertretungsrollen. „Sobald jemand in Elternzeit geht oder ein Sabbatical nimmt, wird das Thema Interim-Management spruchreif“, erklärt Kirsten Altenhoff, Managing Partner bei der GK-Unternehmens- und Personalberatung.

Das bestätigt auch Susanne Marell, Bereichsvorständin Kommunikation und Nachhaltigkeit bei der Schwarz-Gruppe. „Interim Management würde für mich in Frage kommen, wenn es um Überbrückung von Vakanzen bei wichtigen Positionen geht, beispielsweise bei Elternzeit oder auch Krankheit.“ Strategische Impulse kann sich die Managerin vielmehr von einem Ökosystem aus externen Spezialisten vorstellen. Interim-Management hingegen beschränke sich auf den Einsatz, eine abwesende Person zu vertreten.

„Interim Kräfte tragen keine langfristige Linienverantwortung“, sagt Altenhoff. Ohnehin stellt sie im Vergleich zu sonstigen Mandaten für die Festanstellung Zurückhaltung seitens der Unternehmen fest, wenn es um das Thema Interim-Management geht. „Manche Entscheidung pro Interim-Mandat könnten schneller getroffen werden.“ Das liegt ihrer Ansicht nach daran, dass es gerade Entscheidern noch schwerfällt, sich aus vorgezeichneten Rekrutierungs-Korsetts zu lösen.

Unterschätzte Chance

Die ausschließliche Fokussierung auf die Überbrückung oder den Feuerwehr-Einsatz von Interim-Kommunikatoren wird Pressestellen mehr und mehr in die Sackgasse führen. Zu vielfältig sind aktuelle Aufgabenfelder und neue technologische Anforderungen, die festangestellte Kommunikationsteams schnell an ihre Grenzen bringen. „In Deutschland überwiegt noch immer die Meinung, dass nur Profis in langjähriger Festanstellung Kommunikationsstrategien entwickeln können“, sagt Birgit Heinold, Leiterin strategische Transformation in Europa für die Agentur Archetype. „Aber das entspricht nicht mehr der Realität. Dafür ist die Kommunikation heute viel zu dynamisch geworden.“

Sie weiß aus Erfahrung, dass unzählige große und kleine Unternehmen heute im Zuge der Transformation ihr Branding, ihre Positionierung aber auch ihre Kommunikationsstrategien dringend überarbeiten müssen. „Erfahrene Interim-Kommunikatoren sind prädestiniert, diese Transformation zu begleiten. Dieser Chance wird Heinold zufolge in den Kommunikationsabteilungen noch zu wenig Beachtung geschenkt. „Es wird oft unterschätzt, welchen strategischen Wert die Kommunikation für das Unternehmen gerade in kulturellem Change eigentlich hat.“

Wer als Interim-Manager in der Kommunikation durchstarten möchte, sollte sich seiner Kompetenzen absolut bewusst sein. „Entscheidend ist vor allem Erfahrung in der Change Communication“, betont Heinold. Konkret bedeutet das: Kommunikationskonzepte müssen integraler Bestandteil des gesamten Veränderungsprozesses sein und in enger Abstimmung mit der Unternehmensführung entwickelt werden. Besonders gefragt sind zudem ausgeprägtes Fingerspitzengefühl und ein feines Gespür für Storytelling und Botschaften mit Emotionsbezug, um Mitarbeitende erfolgreich auf einen neuen Kurs einzustimmen. Diese Fähigkeiten bringen vor allem Kommunikatoren mit, die über Jahre hinweg Change-Prozesse in verschiedenen Unternehmenskonstellationen begleitet und im Team verantwortet haben.

Neue strategische Impulse

Dazu gehört es auch, sich sicher und souverän durch Organisationsstrukturen und typischen Verhaltensweisen entlang der Hierarchiestufen zu bewegen. Wenn formale Erwartungen an ein verändertes Verhalten nicht mit dem Willen von Mitarbeitenden oder Führungskräften übereinstimmen, sind Change-, Kommunikations-, und Organisations-Know-how gefragt. Transformationsvorhaben sind langfristige Initiativen, die vom externen Berater einiges abverlangen. „Bei solchen Einsätzen ist es nicht mit ein paar Monaten getan“, erklärt Heinold. „Die Begleitung einer Transformation dauert in der Regel ein bis zwei Jahre. Hier kann etwas entstehen, das auch nach dem Interim-Projekt noch lange Bestand hat.“

Trotz ähnlicher Leistungsportfolios sieht sie Interim-Manager nicht als Wettbewerber, sondern als Partner. „Diese Berater arbeiten innerhalb der Organisation, während wir als Agentur extern agieren. Beim Wissenstransfer ergänzen sich beide Ansätze ideal.“

Damit Interim-Karrieren für erfahrene Kommunikatoren richtig ins Rollen kommen, sind neben Fachkompetenz und einem tragfähigen Netzwerk weitere Faktoren wichtig. Bei Change-Projekten, die ein bis zwei Jahre dauern, ist eine Festanstellung über einen regulären Arbeitsvertrag oft die beste Wahl. In solchen Fällen übernimmt der Interim-Kommunikator Verantwortung für Prozesse und Vorgehensweisen und ist zudem dem Management gegenüber weisungsgebunden.

Anders sieht es aus, wenn der Berater eine klar umrissene Aufgabe übernimmt – etwa die Entwicklung eines Kommunikationskonzepts für eine Neupositionierung. In solchen Fällen ist der Dienstvertrag am weitesten verbreitet, da keine direkte Integration ins Unternehmen erfolgt und der Leistungsumfang klar abgegrenzt ist. Zudem bringt der externe Berater die Flexibilität mit, neue strategische Impulse zu setzen. Und die sind gerade jetzt in vielen Unternehmen, in denen grundlegende Änderungen anstehen, aber noch offen ist, wo die Reise hingeht, dringend nötig.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Strategie. Das Heft können Sie hier bestellen.

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