"Ich war von der ersten Minute an in Action"

Sabbatical in der PR

Ausbrechen, innehalten, aufbrechen: Irgendwann kommt für viele im Job der Zeitpunkt, an dem sie sich wünschen, die Routine hinter sich zu lassen und mithilfe eines Sabbaticals eine Weile im eigenen Takt zu leben. Manche erwischt der Moment bereits früh, andere nach einem Aufstieg oder auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Ebenso unterscheiden sich die Sehnsüchte, wie dieser Zeitraum zu füllen ist. Soll die persönliche Weiterbildung im Fokus stehen? Möchte man mehr Zeit mit der Familie verbringen? Sich sortieren und beruflich neu aufstellen? Oder träumt man von der Weltreise inklusive Entspannung unter Palmen? 

Ines Thomas (37): Auszeit in Berkeley

→ Academic Sabbatical von September 2015 bis Dezember 2015
→ Vorher: Director Corporate Communications/ Pressesprecherin beim Condé Nast Verlag
→ Heute: dieselbe Position

Vor zwei Jahren habe ich mich für vier Monate auf eine temporeiche Reise gemacht. Ich war zu dem Zeitpunkt schon rund sechs Jahre bei Condé Nast, wo ich auch heute noch das vierköpfige PR-Team leite. Die Medienbranche ist ohnehin ein dynamisches Umfeld – auch und gerade für Kommunikatoren –, zudem kam ich damals aus einer sehr intensiven Phase, in der ich eine Doppelfunktion innehatte: Neben der Unternehmenskommunikation verantwortete ich die Markenstrategie zum Launch des Innovations-Magazins Wired. Nach der Launchphase, als ganz ungewohnt etwas mehr Ruhe einkehrte, stellte ich mir die Frage: Was kommt jetzt? Ich war zwar glücklich mit meiner Stelle, hatte aber „Durst“ nach frischem Input.

Der Austausch mit einer Bekannten brachte mich auf die Idee, ein Academic Sabbatical zu machen und noch einmal im Ausland zu studieren. Das Post-Graduate-Programm in Berkeley erschien mir ideal, da es intensiv auf vier Monate komprimiert ist und sich explizit an Working Professionals richtet. Mir gefiel der Netzwerkgedanke, gemeinsam mit Menschen aus der ganzen Welt Neues zu lernen. Einige Kontakte sind mir bis heute erhalten geblieben.

Meinen Plan habe ich mit etwa einem halben Jahr Vorlauf meinem Chef präsentiert. Es war meine Initiative und auch mein finanzielles Risiko, aber natürlich brauchte ich die Freistellung und damit sein Okay. Der Faktor, dass das International-Marketing-Studium nahe dem Silicon Valley auch einen inhaltlichen Mehrwert für meinen Job bringt, machte es natürlich leichter, ihn zu überzeugen. Zum Glück fand er mein Vorhaben sowohl persönlich als auch fachlich unterstützenswert und sinnvoll.

“Ich bekam einen richtigen Energieschub”

Der Bewerbungsprozess für das Studium war dann relativ aufwändig und langwierig. Als drei Monate vor Start endlich der positive Bescheid der Uni kam, habe ich mein Team informiert. So hatten wir genügend Zeit, alles gemeinsam vorzubereiten und Entscheidungen zu treffen, welche Aufgaben umverteilt oder an die Agentur ausgelagert werden.

Das Team hat auf meine Sabbatical-Pläne mit gemischten Gefühlen reagiert. Einerseits haben sich meine Kollegen für mich gefreut, waren andererseits im ersten Moment aber auch ein bisschen erschrocken, weil nicht genau absehbar war, was das für sie an Mehrarbeit und zusätzlicher Verantwortung bedeuten würde. Schließlich ließen sich die vier Monate aber gut überbrücken, und für wichtige Themen und Fragen war ich trotzdem erreichbar. Ein längerer Zeitraum wäre aber vermutlich schwer machbar gewesen.

Im September ging es dann auf nach Kalifornien. Das war eine aufregende Zeit. Von Entschleunigung kann bei dieser Art des Sabbaticals keine Rede sein, ich war von der ersten Minute an in Action. Gleichzeitig haben mir das Programm und der Aufenthalt dort aber einen richtigen Energieschub gegeben. Ich wollte in den vier Monaten alles mitnehmen und so viele neue Eindrücke und Begegnungen wie möglich „speichern“. Das habe ich nicht als Anstrengung empfunden, sondern eher als ein Batterieaufladen. Und ich habe es genossen, im Ausland in einen neuen Alltag einzutauchen, anstatt irgendwo nur auf der Durchreise zu sein.

Zurückgekommen bin ich kurz vor Weihnachten und hatte so das Glück, erst einmal zehn Tage im Familienmodus zu verbringen und richtig ankommen zu können, bevor ich dann im Januar wieder ins Büro zurückgekehrt bin.

Heute profitiere ich nicht nur von dem fachlichen Input; durch den Abstand habe ich außerdem gelernt, Kontrolle abzugeben und besser zu delegieren. Auch das ist wertvoll als Führungskraft zu verinnerlichen: Die Welt bleibt nicht stehen, wenn man als Chef mal eine Zeit lang nicht da ist. Es war gut, sich das vor Augen zu führen. Auch mein Team hat diese Erfahrung sicherlich weitergebracht. Ich bin davon überzeugt, dass von einer solchen Auszeit Unternehmen und Arbeitnehmer gleichermaßen profitieren können.

Protokolliert von Anne Hünninghaus

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe TEMPO. Das Heft können Sie hier bestellen.

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