Alles für die Loyalität unserer Mitarbeiter

1995 erscheint ein Interview mit dem Personalvorstand der Deutschen Bank, Ulrich Weiss, in der „FAZ“. Weiss beerdigt die in über 100 Jahren gewachsene Unternehmenskultur. Einem „besonderen Loyalitätsverhältnis“ von Mitarbeitern weine er nicht nach. Mitarbeiter müssten jederzeit fähig sein, andernorts „einen Job zu bekommen“. Würde das im Jahr 2013 noch von einem Personalverantwortlichen zu hören sein? Wohl nicht. Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es einem Unternehmen gut tut, wenn es seine Mitarbeiter fördert, unterstützt, wertschätzt, kurz: ernst nimmt. Dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Wert, dem Erfolg, der Reputation eines Unternehmens und dem Engagement seiner Mitarbeiter, ist mittlerweile durch zahlreiche Studien belegt. Heute gilt: Ein Bewerber, ein Mitarbeiter, will wissen: Was bietet mir mein zukünftiger Arbeitgeber, wie macht er seine Geschäfte, welche Ziele verfolgt er? Es geht längst nicht mehr nur um das Gehalt allein. Die Arbeitgebermarke ist zu einem wichtigen Betätigungsfeld für Human Resources geworden.

Das Employer-Brand-Management der ING-Diba basiert auf den Erfahrungen der vergangenen zehn Jahre, in denen die Bank sich zu einer etablierten Größe unter den deutschen Banken entwickelt hat. Programme und Initiativen zur Mitarbeiterbindung, zur Förderung der Mitarbeiterzufriedenheit und der aktiven Einbindung in die Unternehmenskultur stehen dabei seit jeher im Mittelpunkt. Im Personalbereich steht dafür seit acht Jahren die jährliche Befragung von Führungskräften und Mitarbeitern über den Wettbewerb „Great Place to Work“. Sie misst anhand von festgelegten Werten – Glaubwürdigkeit, Respekt, Fairness, Stolz und Team(geist) – die konkreten Befindlichkeiten von Führungskräften und Mitarbeitern. Die Bank nutzt diesen Wettbewerb als strategisches Instrument. Das funktioniert, weil er in einem transparenten, konkreten und positiven Sinne im Unternehmen verankert ist. Für Führungskräfte ist der Wettbewerb ein wichtiges Steuerungsinstrument, für Mitarbeiter eine erfolgversprechende Chance, Veränderungen selbst anzustoßen, für das Management ein Seismograph für die Unternehmenskultur. Wenn aktuell 91 Prozent der Beschäftigten sich an „Great Place to Work“ beteiligen und dabei 85 Prozent angeben, mit ihrem Arbeitsplatz sehr zufrieden zu sein, dann ist dies ein Vorschuss für das Management der Arbeitgebermarke. Übrigens würden ebenso viele Mitarbeiter ihren Freunden die ING-Diba als Arbeitgeber weiterempfehlen. Darüber hinaus lassen sich die guten Platzierungen der Bank im Wettbewerb auch beim Recruiting als Argument für den Arbeitgeber ING-Diba nutzen.

Besonderen Wert legt die Bank auf die Kongruenz zwischen ihrem externen Auftritt und der Wahrnehmung seitens der Mitarbeiter. Angesichts der Austauschbarkeit von Imagekampagnen „führender“, „einzigartiger“ Unternehmen kann die durch eine positive Unternehmenskultur erlebbare Arbeitgebermarke für Mitarbeiter ein starker Grund sein, loyal zu bleiben – und als glaubwürdige Multiplikatoren zu agieren.

Kampagne mit eigenen Mitarbeitern

Um auf dem Arbeitsmarkt, aber nicht zuletzt auch intern als Arbeitgeber sichtbarer zu sein, setzt die ING-Diba seit kurzem die Kampagne „Deine Stärke – mit deiner Stärke zum gemeinsamen Erfolg“ ein. Ziel ist, die Werte der ING-Diba-Brand, also der Kundenmarke, noch weiter auf die Mitarbeiterkultur und auf die Arbeitgebermarke zu übertragen. Fairness, Respekt, Offenheit, Verantwortung: Diese Werte bilden das Fundament, innen wie außen. Kern der Kampagne sind Mitarbeiter der Bank, die als Testimonials fungieren. Sie werden nicht als Banker gezeigt, sondern wie sie Hobbys oder privaten Interessen nachgehen. Ihre „Stärken“ reichen deswegen von praktischen Fähigkeiten über soziale Engagements bis hin zu einem sichtbar individuellen Stil. Kann aus einer persönlichen Stärke ein größerer Gewinn für das Unternehmen entstehen als durch überdurchschnittliches Fachwissen? Kann die Führungsqualität von Qualitäten abhängen, die nichts mit dem beruflichen Werdegang zu tun haben?

Für die Bank ist es Merkmal ihrer Unternehmenskultur, dass sie sich Bewerber, Mitarbeiter oder Führungskräfte von allen Seiten anschaut. Das trifft sich mit dem Blickwinkel vieler Jobsuchender, die verstärkt auf Faktoren wie Work-Life-Balance, Nachhaltigkeit, Arbeitsklima oder konkrete Wertschätzung achten. Um passende „Darsteller“ für die Kampagne zu finden, wurden die Mitarbeiter zum Casting aufgerufen. Das Interesse war groß. Gesucht wurden etwa 40 Mitarbeiter, am Ende hatten sich über 150 für die Castings angemeldet. Die hohe Resonanz ist ein Beleg dafür, dass sich die Mitarbeiter mit den Aussagen und Botschaften der neuen Arbeitgebermarke identifizieren.

Lebensnahe Angebote für Mitarbeiter

Die ING-Diba hat im Laufe der Jahre für ihre Mitarbeiter ein Paket an lebensnahen Angeboten geschnürt, die unter anderem die Themen Gesundheit, Beruf und Familie im Fokus haben. Beispiel Gesundheit: Angebote wie Nichtraucherkurse, Yoga, Pilates, Grippeschutzimpfungen, Kieser-Rückentraining, Workshops „Ernährung und Bewegung“ werden sehr gut genutzt. Thema Stress: Wer unter großen privaten oder beruflichen Belastungen steht, kann sich anonym an eine Helpline wenden. Dahinter steht ein bundesweites Team aus Sozialberatern, Psychologen und Ärzten, die sofort und ohne Formalitäten zu persönlichen Situationen beraten. Hinzu kommen externe Netzwerkpartner wie Psychotherapeuten, Familienservices oder Fachberatungsstellen. Auch die Betriebsärzte beraten kompetent.

Fest verankert sind eine Ferien- und Notfallbetreuung für Kinder, Kooperationen mit Kinderkrippen an den Standorten sowie die Unterstützung bei der Pflege von Angehörigen in Kooperation mit dem Deutschen Pflegering. Schließlich verbesserte der mit der Gewerkschaft Verdi beschlossene neue Zukunftstarifvertrag das Angebot an Sozialleistungen und beinhaltet beispielsweise einen Zuschuss zu Pflege- und Kinderbetreuungskosten. Auch beim Thema Gesundheit setzt der Tarifvertrag für die Branche neue Standards: etwa Gesundheitsvorsorgeleistungen im Rahmen einer Gruppenvorsorgeversicherung. Hier schließen die Mitarbeiter eine Versicherung ab, die Bank zahlt den kompletten Beitrag und der Versicherer erstattet die Leistungen, die die gesetzliche Krankenversicherung nicht übernimmt.

Ein Arbeitgeber, der sich bedankt

Auch bei den Themen Anerkennung und Wertschätzung geht die ING-Diba unkonventionelle Wege: Mit dem „Danke-Programm“ können Führungskräfte besondere Leistungen unbürokratisch mit Gutscheinen (Reise, Kino, Restaurantbesuch) honorieren. Dabei geht es nicht um die finanzielle Höhe der Anerkennung, sondern um die spontane und persönliche Geste der Wertschätzung.

Dass Wertschätzung übrigens auch ganz anders funktionieren kann, zeigt das Programm „FAIRantwortung“, in dem die Bank ihr gesellschaftliches Engagement zusammenfasst. Jeder sechste Mitarbeiter engagiert sich für soziale Projekte – und empfindet das als markantes Kennzeichen der Unternehmenskultur. Dass die Bank ihre Mitarbeiter ermuntert und unterstützt, Gutes zu tun, wird als eine große Stärke der Employer Brand gesehen.

Ein letztes Beispiel: das Social Web. Die Mitarbeiter der ING-Diba werden auch hier nach der stark informellen und auf Vertrauen und Fairness gründenden Unternehmenskultur mit wenigen Hinweisen abgeholt. Grundsätzlich sieht die Bank in den Mitarbeitern wichtige Multiplikatoren. Wer öffentlich über die Bank redet, soll sagen, wer er ist, und Fakten und Meinungen trennen. Generell soll die Privatsphäre, aber auch das Unternehmen in sensiblen Fragen geschützt werden. Die Philosophie, das Social Web betreffend, so wie alle hier genannten Aktionsfelder zielen darauf ab, den Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden, seine Loyalität und dabei gleichzeitig seine positiv kritische Beobachtung der Organisation zu stärken. Dies erfordert ein permanentes Justieren und Aktualisieren der Strukturen und Tools.

Was das Unternehmen für all diese Bemühungen erhält? Ein besonderes Loyalitätsverhältnis, das nicht hoch genug einzuschätzen ist.    

Über den Autor: Matthias Robke ist seit Januar 2001 Personaldirektor der ING-Diba, die rund 3.100 Mitarbeiter hat. Er implementierte unter anderem das Weiterentwick-lungsprogramm „Horizonte“, die „Ausbildung 50+“ sowie das Programm „DiBa FIT“.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Employer Branding. Das Heft können Sie hier bestellen.

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