Zukunftsfähigkeit? Kreativierung!

„Kreativiert Euch!“

Apple, Amazon, Facebook, Microsoft und Alphabet haben ihre europäischen Wettbewerber hinter sich gelassen. Im weltweiten Standortwettbewerb liegen die USA-Westküste und die asiatische Ostküste derzeit vorn; Europa hat das Nachsehen. Nach der Globalisierung ist die Digitalisierung zur bestimmenden Voraussetzung für Marktanteile geworden. Know-how über künstliche Intelligenz, Algorithmen und Big Data entscheidet über Börsenwerte in der Gegenwart und Erfolg in der Zukunft.

Kreativität als Haltung

Ja, Amerikas Big Five sind Technologieunternehmen. Vor allem sind sie aber kreative Unternehmen. Darüber wird in der politischen wie gesellschaftlichen Debatte über die Zukunft unserer Wirtschaft, über die Art, wie wir miteinander kommunizieren, zu wenig gesprochen. Die Kreativität kommt nicht nur in ihren Produkten und Angeboten, in der Gestaltung ihrer Plattformen, sondern vor allem in ihrer Unternehmenskultur zum Ausdruck. Kreativität macht den Unterschied.

Flache Hierarchien, divers zusammengestellte Teams, Diskussionsfreude und die Bereitschaft, Fehler zu machen: Alles dreht sich um Kreativität, darum, Neues zu schaffen, Märkte zu verändern und neu zu definieren. Sie sind der Beleg für Richard Floridas „creative class theory“: Kreativität ist die zentrale Ressource der Zukunft. Erst recht, wenn uns künstliche Intelligenz, Software und Automatisierung einfache Tätigkeiten abnehmen.

Fördert Ihr Arbeitsplatz Ihre Kreativität?

Wer im Branchenwettbewerb eine relevante Rolle spielen möchte, muss in die Innovationskraft seines Unternehmens investieren, um die Gefahr, abgehängt zu werden, zu minimieren. Traditionell hierarchische Arbeitsplätze und Arbeitsweisen verhindern Erfolg in der sich sprunghaft verändernden Welt. Es braucht eine Adaption der Prinzipien von New Work. Dazu gehören Investitionen in eine räumliche und technologische Infrastruktur, die Kreativität fördert und unkomplizierten Austausch zwischen Mitarbeitern aller Unternehmensbereiche ermöglicht.

Zu viele neue Bürogebäude werden noch nach den Maßstäben der Vergangenheit geplant. Der moderne Arbeitsplatz muss rund um Inseln des Austausches, der Begegnung und der Inspiration geschaffen werden. Nicht in Einzelbüros, sondern in Gruppen. Nicht rein funktional und lieblos, sondern unter Beteiligung der Mitarbeitenden. Büros sind Orte, an denen die Menschen die meiste Zeit des Tages verbringen, wenn sie von zu Hause oder einem anderen Ort aus kollaborativ arbeiten. Entsprechend müssen sie gestaltet sein.

Raus aus dem Silo – hin zu „total creativity“

Kreatives Potential muss gefunden, gefördert und gefeiert werden. Damit jeder sein individuelles kreatives Potential in Lösungsprozesse einbringen kann, müssen Silos niedergerissen und ganzheitliche Kreativität („total creativity“) nicht nur gewollt, sondern systematisch aufgebaut werden, um Austausch, Beteiligung und Bereicherung aller Unternehmensbereiche zu ermöglichen. Diesen Prozess nennen wir Kreativierung. Er ist dann erfolgreich, wenn Beteiligung über Hierarchien hinweg gleichberechtigt ermöglicht wird und vor allem von oben gewollt und aktiv vorangetrieben wird.

Kreativierung ist Chefsache. Oder die Aufgabe eines Chief Creativation Officer, um anzustoßen und sicherzustellen, dass die oben genannten Schritte in der Organisation so umgesetzt werden, dass sie sich in Angeboten, Produkten, der Arbeitsweise und Zufriedenheit der Mitarbeiter niederschlagen.

Eine gesellschaftliche Haltung

Unser Aufruf endet jedoch nicht beim Appell an Unternehmen. Wir sind überzeugt, dass wir als europäische Gesellschaft in Zukunft nur wettbewerbsfähig und erfolgreich sein können, wenn wir den „kreativen U-Turn“ für die ganze Gesellschaft schaffen. Wir fordern deshalb ein Ministerium für Kreativierung. Die Politik muss verstehen, dass Kreativität die zentrale Ressource unserer Zukunft ist. Ein solches Ministerium wäre ein außerordentlich starkes Signal an die Gesellschaft und würde die nächste Generation im Erdenken und in der Umsetzung des beschriebenen Wandels miteinbeziehen.

Daher fordern wir ein Umdenken im Bildungssystem. Es braucht Kurse und Fächer, die sich mit Kreativierung beschäftigen und Kreativität im Sinne von Ideen-Haben aktiv und von klein auf fördern. Wir brauchen Bildung, die die Neugier aktiv schult und die schon in der Grundschule eine Freiheit ermöglicht, die auch Unvorhersehbarem Raum gibt.

Wenn Intelligenz künstlich wird, bleibt eines, was Menschen besser können als Roboter: Ideen haben. Um unseren Wohlstand und unsere Freiheit behalten zu können, müssen wir deshalb alle kreativ werden. Jeden Kollegen feiern, wenn er eine gute Idee hat. Und, liebe Journalisten, fröhlich darüber berichten!