Da haben wir uns fast zwei Jahre lang den Mund fusselig geredet: „ChatGPT ist keine Suchmaschine.“ Und plötzlich soll alles anders sein? Mit Tools wie „Perplexity“ oder „SearchGPT“, der neuen Internet-Suchfunktion von ChatGPT, scheinen die Tage von Google und Co. endgültig gezählt zu sein. Kein mühsames Klicken durch lange Trefferlisten, sondern einfach eine Frage in die KI tippen und schwupps folgt die Antwort, dank Links zu den Quellen jederzeit transparent und nachvollziehbar.
Es klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Und leider ist es das auch! Denn was uns als die Revolution der Informationssuche im Internet angepriesen wird, entpuppt sich in Wahrheit leider als ein ziemlich unausgereifter Versuch, Google und den anderen Suchmaschinen das Wasser beziehungsweise den Internet-Traffic abzugraben. ChatGPT kann mittlerweile sogar im Browser als Standardsuchmaschine eingestellt werden – eine Option, die man besser ignorieren sollte.
Aber der Reihe nach: Was passiert eigentlich, wenn die KI für uns das Internet durchsucht?
Vereinfacht gesagt, macht die KI nichts anderes als wir Menschen: Sie überlegt sich, welche Suchbegriffe zu unserer Frage passen, und googelt (respektive nutzt im Fall von ChatGPT die Suchmaschine Bing). Die Inhalte der gefundenen Webseiten werden dann als sogenannte Wissensbasis der KI zur Verfügung gestellt, damit sie auf Grundlage dieser Inhalte die Frage beantworten kann.
Kooperationen verzerren Antworten
In der Realität ist der Prozess natürlich deutlich komplexer. Beispielsweise werden bei ChatGPT für Fragen zu aktuellen Nachrichten bevorzugt Quellen herangezogen, mit denen OpenAI einen Vertrag abgeschlossen hat. In Deutschland ist dies zum Beispiel der Springer-Verlag, der den KI-Modellen Zugang zu Inhalten hinter der Bezahlschranke gewährt. Das führt dazu, dass vor allem Nachrichten von „Bild“, „Welt“ und „Business Insider“ angezeigt werden.
Nur der Vollständigkeit halber: Springer zahlt nicht dafür, dass die KI ihre redaktionellen Inhalte ausspielt, sondern erhält dafür jährlich einen nicht näher bezifferten Betrag (es soll sich um Millionen handeln) von OpenAI. Doch unabhängig davon, in welche Richtung hier Geld fließt: Schwierig wird es immer dann, wenn die KI eine Antwort ausspuckt, in der bezahlte und unbezahlte Inhalte vermischt werden.
Fragwürdige Quellen fließen mit ein
Damit fangen die Probleme aber erst an. Während wir bei Google und Co. anhand der Treffer entscheiden, ob unsere Internetsuche überhaupt erfolgreich war und welchen der gefundenen Quellen wir vertrauen, überlassen wir das bei einer KI-Suche ganz allein dem wahrscheinlichkeitsbasierten Algorithmus. Dass dabei oft nichts Gutes rauskommt, liegt auf der Hand und ist mittlerweile auch belegt.
Im Oktober berichtete das Tech-Magazin „Wired“, dass KI-Suchmaschinen bei Suchanfragen zum Thema „Intelligenzquotient“ rassistische Studien in ihre Antworten einfließen ließen, wonach Weiße anderen Rassen genetisch überlegen seien. In einer aktuellen Untersuchung des Tow Center for Digital Journalism an der Columbia Journalism School lieferte SearchGPT für 153 von 200 getesteten Nachrichtenzitaten falsche Quellenangaben. Selbst dann, wenn sie von einem der Partnerverlage von OpenAI stammten.
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Auch bei der vermeintlich einfachen Frage nach den „wichtigsten Nachrichten des heutigen Tages in Deutschland“ versagt die KI-Suche: In den Treffern werden aktuelle Meldungen mit älteren vermischt, weil die KI auf den besuchten Webseiten nicht zuverlässig erkennen kann, welches Datum eine Meldung trägt. So rutscht schon mal ein Artikel aus der Rubrik „Das könnte Sie auch interessieren“ in die Nachrichtenübersicht.
Tipps für die KI-Suche
Sollten wir aus diesen Gründen die Finger von Perplexity, SearchGPT und anderen Tools lassen? Ich denke nicht, aber wir müssen sie mit der notwendigen Vorsicht einsetzen. Und wir müssen verstehen lernen, mit welchen Techniken man einigermaßen zuverlässige Suchergebnisse erzielen kann.
Deshalb hier ein paar Tipps:
1. Antworten und Ergebnisse immer anhand der verlinkten Quellen überprüfen: Welche Quellen wurden verwendet, sind diese vertrauenswürdig? Welche Quellen fehlen? Sind die Quellen korrekt zitiert?
2. Quellen wörtlich zitieren lassen, zum Beispiel mit dem Hinweis: „Zitiere die entsprechende Quelle wörtlich im Format {Zitat: ‚Füge das Zitat hier wörtlich ein‘}“
3. Mit der KI in den Dialog treten, um die Suchergebnisse zu verfeinern oder zu verbessern – zum Beispiel dazu auffordern, bestimmte Quellen zu ergänzen oder zu ignorieren.
4. Fragen möglichst präzise formulieren. Statt: „Welche sind die wichtigsten Medien in Deutschland?“, besser: „Erstelle eine Tabelle mit den reichweitenstärksten Medien (einzelne Titel) des vergangenen Jahres in Deutschland. Spalten: Name, Mediengattung, Reichweite offline, Reichweite online, URL.“
5. Komplexe Fragen besser in mehrere Einzelfragen aufteilen:
Statt „Nenne die Chefredakteur:innen der fünf größten Tageszeitungen in Deutschland“, besser:
Prompt 1: „Erstelle eine Liste der reichweitenstärksten Tageszeitungen in Deutschland mit Name, Reichweite (Auflage, Unique Visitors online), URL.“
Prompt 2: „Besuche nun die Websites und recherchiere die Namen der jeweiligen Chefredakteur:innen.“
Perplexity bezeichnet sich selbst als „Antwortmaschine“. Das ist richtig und gleichzeitig ein Problem, denn bei einer Google-Trefferliste ist es immer noch an uns, die Treffer zu bewerten und daraus eine Antwort auf unsere Frage abzuleiten. Das ist bei einer KI-Suche prinzipiell nicht anders, nur dass uns eine KI eben eine plausibel klingende Antwort gibt, deren Wahrheitsgehalt wir aufwendig selbst überprüfen müssen. Daher der Grundsatz: Traue (noch) keiner Antwortmaschine. Wir dürfen aber gespannt sein, was die Zukunft bringt!
Dieser Beitrag ist Teil der Themenreihe „How-to GenAI“, die sich mit dem Einsatz von generativer künstlicher Intelligenz in der Unternehmenskommunikation beschäftigt. Regelmäßig erscheinen an dieser Stelle Beiträge wechselnder Autor*innen zu theoretischen und praktischen Aspekten.