Deutschlands mächtigste Wirtschaftslenker*innen haben offenbar ihre digitale Identität nicht im Griff. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine Untersuchung der Hamburger PR-Agentur Storypark.
Danach ist die neue Mercedes-Benz Trucks-Vorstandschefin Karin Radström bei Google „Schwedische Ruderin“. Commerzbank-CEO Bettina Orlopp hat noch ihren alten Job als Finanzchefin, und statt Jean-Yves Parisot ist immer noch dessen Vorgänger Heinz-Jürgen Bertram CEO des Dax-Konzerns Symrise. Laut ChatGPT ist nicht Oliver Blume der CEO von Volkswagen, sondern Technik-Vorstand Thomas Schmall-von Westerholt. Auch bei BASF holpert es: Hier taucht nicht der aktuelle CEO Markus Kamieth auf, sondern immer noch sein Vorgänger Martin Brudermüller. Problematisch dabei: Allein Volkswagen-Chef Oliver Blume kommt Storypark zufolge auf 33.000 Google-Suchanfragen pro Monat.
Die Agentur hat Ende Oktober das persönliche Auftreten aller 39 Dax-CEOs im Netz analysiert. Dazu untersuchten sie deren Website-Strategien, Social-Media-Aktivitäten sowie Suchmaschinen-Rankings. Besonderes Augenmerk lag auf der Kontrolle über die eigene Online-Reputation und der Abhängigkeit von einzelnen Plattformen.
Starker Fokus auf Linkedin
Kein einziger der 39 Dax-CEOs betreibt Storypark zufolge eine persönliche Website. Dabei ist das Interesse an den Mächtigen der Wirtschaft groß: Volkswagen-Chef Oliver Blume beispielsweise werde mehr als 1.000-mal am Tag bei Google gesucht, schreiben die Analyst*innen. 38 der CEOs hätten sich nicht einmal ihre persönliche Domain (www.vorname-nachname.de) gesichert. Welche Folgen das hat, zeigte zuletzt der Fall des Verkehrsministers Volker Wissing, dessen Seite (www.volker-wissing.de) von der FDP übernommen wurde.
33 von 39 Dax-CEOs sind laut Untersuchung auf Linkedin vertreten. Damit ist das Business-Netzwerk mit deutlichem Vorsprung die dominierende soziale Plattform. Nur neun der CEOs bespielen neben der Business-Plattform Linkedin auch andere Kanäle, darunter Instagram (5) und X (3). Mit Zalando-Chef Robert Gentz ist auf Xing ein einziger CEO vertreten.
Allerdings sei der Fokus auf Linkedin riskant, wie die Analyst*innen schreiben. Da die Plattform kaum Daten nach außen zulasse, wirkten sich Aktivitäten dort nicht auf die digitale Personal Brand in Suchmaschinen aus. Außerdem sei das Profil nur „geliehen“ und könne jederzeit vom Betreiber gelöscht werden.
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Pressearbeit ungenügend
Schwächen in der Außendarstellung zeigen der Agentur zufolge vor allem sieben CEOs, die es laut Untersuchung nicht geschafft hätten, die Google News-Seite mit Ergebnissen aus diesem Jahr zu füllen. Angesichts der zunehmenden Wichtigkeit von Presseartikeln in den Ergebnissen der wichtigsten Suchmaschine der Welt sowie der Prävention von kommunikativen Krisen sei dies eine enttäuschende Quote.
„CEOs brauchen digitale Souveränität. Dafür müssen sie die Macht über den eigenen Auftritt zurückgewinnen“, sagt Storypark-Geschäftsführer Markus Mayr, der dazu rät, eine persönliche Website zu erstellen. Co-Geschäftsführerin Eva Friese ergänzt: „Sich allein auf soziale Netzwerke zu verlassen, ist riskant. Die Ereignisse bei X/Twitter haben gezeigt, wie schnell eine Plattform für die Unternehmenskommunikation unbrauchbar werden kann. Damit steht die jahrelang aufgebaute Reichweite auf dem Spiel.“
Auch für die KI-gestützte Informationssuche ist ein Fokus auf soziale Netzwerke nicht ratsam. Denn KI-Bots wie ChatGPT oder Perplexity können nicht auf geschlossene Plattformen wie Linkedin zugreifen.