Social Media als Gamechanger

Business-Canvas-Modell

Viele Unternehmen interpretieren Social Media noch immer als eine Verlängerung ihrer Kommunikationsbemühungen in das soziale Netz. Dabei wird übersehen, dass die Kanäle nicht nur in der Lage sind, das eigene Geschäftsmodell zu beflügeln oder zu verändern, sondern sogar völlig neue Modelle ermöglichen. Wie sich das volle Potenzial von Social Media für ein Geschäftsmodell erschließen lässt, kann anhand des 2008 von Osterwalder und Pigneur präsentierten Business Canvas gezeigt werden, eines aus neun Bausteinen bestehenden Konzepts zur Beschreibung von Geschäftsmodellen.

Mit der Business-Canvas-Methode (nach Osterwalder und Pigneur) wird ein Geschäftsmodell über neun Bauelemente beschrieben. Blau hinterlegt die Inhalte de sBusiness Canvas, rot hinterlegt die Fragen an jedes einzelne der Elemente, die sich durch digitale Transformation und Social-Media-Nutzung ergeben. (c) Denise Mund / Markus Wiederspahn / Quadriga Media Berlin

Mit der Business-Canvas-Methode (nach Osterwalder und Pigneur) wird ein Geschäftsmodell über neun Bauelemente beschrieben. Blau hinterlegt die Inhalte de sBusiness Canvas, rot hinterlegt die Fragen an jedes einzelne der Elemente, die sich durch digitale Transformation und Social-Media-Nutzung ergeben. (c) Denise Mund / Markus Wiederspahn / Quadriga Media Berlin

Mit der Business-Canvas-Methode (nach Osterwalder und Pigneur) wird ein Geschäftsmodell über neun Bauelemente beschrieben. Blau hinterlegt die Inhalte des Business Canvas, rot hinterlegt die Fragen an jedes einzelne der Elemente, die sich durch digitale Transformation und Social-Media-Nutzung ergeben. (c) Denise Mund / Markus Wiederspahn / Quadriga Media Berlin

Veränderungspotenzial analysieren

Anhand gezielter Fragen kann der Business Canvas ausgefüllt und auch das Veränderungspotenzial durch Social Media analysiert werden. Schauen wir beispielsweise den Baustein Kanäle an: Wie und über welche Kanäle haben Sie bisher mit Ihren Kunden kommuniziert? Welche neuen Kanäle stehen über Social Media zur Verfügung – und welche Implikationen bringen diese mit sich?

Denn im Unterschied zu bisher üblichen Kanälen bietet Social Media die Möglichkeit zum echten Dialog. Dafür muss man sich allerdings ganz anders auf Kunden einlassen, da jeder Kunde heute mit seinen eigenen Aktivitäten im Social Web Multiplikator ist. Um ihn zum Botschafter meines Unternehmens zu machen, muss ich Anreize setzen.

Wenn er mir dafür neue Kunden und Aufträge zuträgt, ist nicht nur der Aufwand gerechtfertigt. Ich kann auch meinen Vertrieb ganz anders einsetzen. Womit sich meine ­Kostenstruktur verändert. Auch meine ­Schlüsselaktivität wandelt sich. Plötzlich gehört die Bedienung des Kanals dazu. Social Media hat also einen Dominoeffekt: Egal wo die Analyse startet, man kommt zwangsläufig auf andere Bausteine, die ebenfalls betroffen sind.

Ungeahnter Wettbewerb

Neben dem Blick auf das eigene Unternehmen und Geschäftsmodell darf eine Frage nicht fehlen: Gibt es durch Social Media die Gefahr, dass neue Wettbewerber auftauchen, die mit einem völlig anderen Geschäftsmodell die Probleme unserer Kunden mit passenderen Lösungen bedienen?

Ein frappierendes Beispiel dafür ist der Niedergang praktisch sämtlicher Lexika-Verlage durch Wikipedia. Die beiden entscheidenden Erfolgskriterien für Wikipedia lauten Crowdsourcing und Crowdfunding, wodurch das Geschäftsmodell „Kostenlose Wissensvermittlung“ erst möglich wurde. Die Schlüssel­aktivität der Betreiber von Wikipedia besteht nicht darin, relevantes und gesichertes Wissen zusammenzutragen, sondern das reibungslose Funktionieren der Plattform sicherzustellen.

Hier wird der Dominoeffekt deutlich: Ein Geschäftsmodell-Baustein nach dem anderen ist ins Wanken geraten und letztlich gefallen – weil das Kundenproblem, also die Suche nach konkretem Wissen, heute hochwertiger, wesentlich schneller und dazu noch kostenlos gelöst wird.

Veränderungs­potenzial nutzen

Social Media hat also spürbaren Einfluss auf das Geschäftsmodell. Je nach Branche sind die Auswirkungen bereits sehr deutlich, zum Beispiel bei der …

  • Marktbearbeitung: Maßnahmen hinsichtlich Marktteilnehmern und ­-volumen

Ein Beispiel dafür sind Userempfehlungen, die Leads generieren. Buchungsportale leben davon.

  • Markterschließung: Eröffnung neuer Absatzmöglichkeiten, Unterstützung von Produkteinführungen

So können beispielsweise über den gezielten Aufbau von eigenen Social-Media-Reichweiten (Audiences und Communitys) Märkte schneller und wirtschaftlicher erschlossen werden. Mit den Targetingmöglichkeiten von Facebook beispielsweise sind soziale Netzwerke für Versandhändler oft die einzige Quelle der Markterschließung.

  • Kundenbindung: Steigerung der Kundenzufriedenheit und -loyalität; Beziehungspflege

Foren, in denen User sich untereinander und selbstständig helfen, sind ein perfektes Beispiel dafür. So profitieren Software-Riesen von Foren und unterhalten eigene ­Communitys. Aber auch große Consumer-Marken wie Red Bull betreiben über ihre ­Kanäle starke Kundenbindung.

Dies wiederum hat direkten Einfluss auf die …

  • Wirtschaftlichkeit
    Durch die Verlagerung von Prozessen in das soziale Netz kann die Wirtschaftlichkeit von Prozessen deutlich gesteigert werden (sie­he Wikipedia oder Foren von Microsoft oder Apple).
  • Leistungsqualität
    Steigerung von Dynamik, Innovation und Produktqualität durch die Beteiligung von Social-Media-Nutzern. Auch hier sind Foren und insbesondere eigene Communitys hilfreich.
  • Wettbewerbsposition
    Die Position eines Unternehmens kann durch aktive Unterstützung der Social-Media-Nutzer einen Vorteil ziehen.

Stratege oder „Postefix“?

Die Social-Media-Nutzung umfasst also weit mehr als das Posten von Beiträgen. Wer als „Postefix“ regelmäßig seine Fans und Follower mit Beiträgen unterhält, hat zwar einen ers­ten Schritt getan. Ohne eine dezidierte Strategie jedoch fehlt der Fahrplan zum wirtschaftlichen Erfolg. Für deren Entwicklung sollten Sie acht Punkte beachten:

1. Gemeinsames Handeln
Weder ein einzelner Mitarbeiter noch eine Abteilung alleine kann für Social Media in Ihrem Unternehmen verantwortlich sein. Schaffen Sie ein funktions­übergreifendes Team, das eine Strategie entwickelt und umsetzt.

2. Hören und vergleichen
„Soziales Zuhören“ ist eine große und zu oft ignorierte Herausforderung. Gehen Sie für Ihr Social-Media-Monitoring über Ihren Markennamen hinaus. Nutzen Sie kontextuelle Stichworte für weiterreichende Analysen und finden Sie so heraus, wo und womit Sie aktiv sein sollten.

3. Auf den Punkt
Social Media kann für viele Ziele genutzt werden. Die bes­ten Strategien sind jene, die (zumindest zunächst) auf einen Punkt fokussiert sind. Wofür möchten Sie Social Media primär nutzen? Um Bewusstsein/Aufmerksamkeit zu generieren? Für mehr Umsatz und Gewinn? Um Loyalität und Kundenbindung zu erhöhen? Wählen Sie ein primäres Ziel!

4. Wahl der Erfolgskriterien (KPI)
Wie stellen Sie fest, ob Ihre Aktivitäten den Geschäftswert steigern? Welche Kennzahlen nutzen Sie, um die Effektivität Ihrer Social-Media-Strategie zu bewerten?

5. Analysieren Sie Ihre Audience
Mit wem wollen Sie interagieren? Was sind die Eigenschaften und Informationsbedürfnisse Ihres aktuellen und Ihres potenziellen Publikums? Wie wirkt sich dies auf Ihre Strategie aus?

6. Was ist Ihr Thema?
Es spielt keine Rolle, wer Sie sind oder was Sie verkaufen. Produkteigenschaften und deren Nutzen reichen nicht aus, um Leidenschaft zu wecken. Fragen Sie sich: Wie erreicht mein Unternehmen das Herz des Publikums? Wofür stehen Sie? Bedenken Sie: Disney is not about movies – it‘s about magic!

7. Menschlichkeit
Die sozialen Mechanismen zwingen Unternehmen in den Wettbewerb um Aufmerksamkeit mit Kollegen, Freunden und den Familien ihrer Kunden. Social Media befasst sich mit Menschen, nicht mit „Logos“. Also muss Ihr Unternehmen auch wie eine Person handeln. Wie können Sie das umsetzen?

8. Erstellen Sie kanalspezifische ­Pläne
Nachdem Sie jetzt wissen, warum Sie in Social Media aktiv sein sollten und wie Sie Ihren (wirtschaftlichen) Erfolg messen, widmen Sie Ihre Aufmerksamkeit dem „Wie“ von Facebook, Twitter und Co. Entwickeln Sie gut begründete kanalspezifische Pläne.

Erfolg? Eine Frage der Perspektive!

Wer angesichts der Herausforderung „Social Media“ den Kopf in den Sand steckt, braucht sich nicht zu wundern, wenn er überrollt wird. Ein Perspektivwechsel von passiv zu aktiv ist nötig. Beantworten Sie wachen Auges folgende Fragen:

1. Habe ich ein klar formuliertes ­Geschäftsmodell – und wie gut ist dieses im Unternehmen und bei den ­Mitarbeitern bekannt?

2. Kenne ich die wichtigsten Chancen und Risiken aus Social Media und Digitalisierung für mein Geschäfts­modell?

3. Habe ich dafür Handlungsoptionen entwickelt und im Geschäftsmodell berücksichtigt?

4. Reflektiert meine Social-Media-­Strategie die gewonnenen Erkenntnisse?

Können Sie diese Fragen nicht absolut ­sicher bejahen, haben Sie einen sehr klaren, konkreten Handlungsbedarf.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe VORBILDER. Das Heft können Sie hier bestellen.