Mit KI Webseiten barrierefrei gestalten

Künstliche Intelligenz

Organisationen sollten sich fragen, wie es bei ihnen um die digitale Barrierefreiheit bestellt ist. Nicht zuletzt seit vor einigen Wochen das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft getreten ist. Das BFSG schreibt Unternehmen, Verbänden und Vereinen, die Produkte oder Dienstleistungen über das Internet anbieten, vor, ihre Webseiten und Apps barrierefrei* zu gestalten.

Für Kommunikatoren sollte es aber nicht entscheidend sein, ob ihre Organisation rein rechtlich gesehen unter das BFSG fällt. Das Gesetz bietet einen Anlass, die Kommunikation neu zu denken und inklusiv zu gestalten. Denn Menschen mit einer dauerhaften, temporären oder auch nur situationsbedingten Beeinträchtigung sind eine relevante Zielgruppe.

Neben bekannten KI-Technologien wie Text-to-Speech oder Speech-to-Text gibt es zwei zusätzliche Möglichkeiten, wie KI helfen kann, eine Website barrierefrei zu gestalten.

Automatische Anpassungen mit KI-Agenten

Mit dem Agenten-Modus, den unter anderem ChatGPT bietet, können Webseiten ohne viel Mühe an inklusive Bedarfe angepasst werden. KI-Agenten können komplexe Aufgaben übernehmen, indem sie eigenständig verschiedene Einzelaufgaben in der richtigen Abfolge erledigen. Wenn auf einer Website beispielsweise nicht von Anfang an die Alternativtexte für Bilder gepflegt wurden, kann das nachträgliche Einfügen sehr aufwendig sein. Der Agentenmodus bei ChatGPT ist in der Lage, selbstständig einen Browser zu steuern und Aufgaben wie Content-Optimierung, SEO-Anpassungen oder sogar die Pflege von Webseiten zu übernehmen.


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So kann der KI-Agent sich bei der Website anmelden, eine Bilddatei öffnen, einen Alternativtext erstellen, den Alt-Tag einfügen, die Datei speichern und dann die nächste Bilddatei öffnen. Der Prozess wird durch einen Prompt angestoßen und läuft im Hintergrund, sodass man gegebenenfalls jederzeit eingreifen kann.

Hier ist ein Beispiel-Prompt:

Melde dich bei der Website xyz [Link einfügen] an. Öffne nacheinander alle Bilddateien, die keinen Alternativtext haben. Beginne bei der aktuellsten Bilddatei und arbeite dich zu den ältesten Bilddateien durch. [Nur notwendig, wenn es viele Bilddateien ohne Alt-Tags gib.] Erstelle einen Alternativtext passend zur Abbildung. Der Alternativtext soll nicht mehr als drei Sätze beinhalten. Speichere die Bilddatei. Öffne dann die nächste Bilddatei ohne Alternativtext und fahre mit dem Prozedere fort. Sende mir alle zwei Stunden eine E-Mail mit einer Liste der Bilddateien, die du bearbeitet hast. [Nur notwendig, wenn die Alt-Tags noch einmal einer Qualitätskontrolle unterzogen werden sollen.] Sende mir eine E-Mail, wenn du alle Bilddateien fertig bearbeitet hast.

Inklusive KI-Chatbots

Eine weitere Möglichkeit sind KI-Chatbots. Wird ein Chatbot mit den Inhalten einer Website trainiert, können Nutzer mit Seh- oder auch motorischen Beeinträchtigungen mit der Website interagieren, ohne sich für die gewünschten Informationen durch die gesamte Website navigieren zu müssen oder sich alle Inhalte vorlesen zu lassen. Sie können einfach eine Frage mündlich stellen. Oder sie bekommen Vorschläge für typische Fragen, die sie stellen können, angezeigt oder vorgelesen. Das verringert den Zeitbedarf für die (potenziellen) Kunden enorm.

Für Hörbeeinträchtigte kann der Bot mit den Video- und Audio-Inhalten einer Website trainiert werden. Dann brauchen Nutzer beispielsweise nicht ein komplettes Video mit Untertiteln anzusehen oder das Transkript einer Audiodatei zu lesen, um zu ihren gewünschten Informationen zu gelangen. Die Ausgabe der Antwort kann entweder schriftlich oder sogar durch einen Avatar geschehen – per Gebärdensprache.

Denkbar ist auch, dass der Bot die Inhalte in einfacher Sprache ausgibt – so werden auch Nutzer mit kognitiven Einschränkungen berücksichtigt.

In ChatGPT kann man beispielsweise unter „Entdecken > Eigene GPTs“ ein sogenanntes Custom GPT – einen eigenen Chatbot mit spezifischen Inhalten – bauen. Hier können Dateien (PDFs, Handbücher, Artikel, Transkripte) hochgeladen werden, die als spezifische Wissensbasis dienen. Antworten können in Text oder über eine ChatGPT-Standard-Stimme als Sprache ausgegeben werden.

Noch einfacher geht es mit einem KI-Klon oder Avatar. Es gibt Anbieter wie beispielsweise Delphi, die zusätzlich den Upload ganzer Webseiten sowie Audio und Video erlauben. Darüber hinaus ist auch die Sprachausgabe von Corporate- oder sogar geklonten Stimmen möglich.


* Info-Kasten
Wann gilt eine Website als barrierefrei?

Grundsätzlich haben barrierefreie Websites drei Mindestanforderungen.

1. Wahrnehmbarkeit
Inhalte müssen so gestaltet sein, dass alle Verbraucher sie wahrnehmen können – unabhängig davon, ob sie visuelle oder auditive Beeinträchtigungen haben. Dazu muss jedes enthaltene Content-Format (Text, Bild, PDF, Audio, Video) über mehr als nur einen Sinneskanal zugänglich gemacht werden. Dies beinhaltet zum Beispiel, dass Texte vorgelesen werden können, dass Untertitel für Audio und Video bereitgestellt werden und dass Alt-Tags für Bilder vorhanden sind, die aussagen, was auf einem Bild zu sehen ist.

2. Bedienbarkeit
Die Website muss für alle Nutzer bedienbar sein, unabhängig von ihren körperlichen Fähigkeiten. Das bedeutet, dass alle Funktionen, einschließlich der Navigation, mit der Tastatur steuerbar sein müssen und ausreichend Zeit für Interaktionen bleibt.

3. Robustheit
Inhalte müssen so robust sein, dass sie mit einer Vielzahl assistiver Technologien – etwa mit Screenreadern, die Text vorlesen – kompatibel sind und korrekt dargestellt werden.