Flix: Disruption für günstigeres Reisen
Malte Wienker war bei Flix anfangs für Lobbyarbeit zuständig. Inzwischen leitet er die Kommunikation des Unternehmens und verzahnt sie stärker mit dem politischen Bereich. Der spielt bei Flix eine wesentliche Rolle, weil es im Geschäftsbereich häufig um Regulierungsfragen und politische Rahmenbedingungen geht.
Streng genommen ist Flix kein Start-up mehr. Unter seinem früheren Namen „Flixbus“ ist das Unternehmen deutschlandweit bekannt, schließlich hat es bei den Fernbussen einen Marktanteil von rund 95 Prozent und damit quasi eine Monopolstellung. Trotzdem sieht Malte Wienker das Unternehmen, zu dem auch die Züge von Flixtrain gehören, in der Rolle des Disruptors: „Wir sind kein Busunternehmen. Wir sind ein Travel-Tech-Unternehmen, das die ganze Branche revolutioniert.“
Das ist auch eine von Wienkers zentralen Botschaften: Flix bringt frischen Wind in die Branche. Die politische Arbeit, die Wienker heute mitverantwortet, spielt bei den Münchnern entsprechend eine große Rolle. Der frühere Leiter der Unternehmenskommunikation von Axel Springer war vor knapp zwei Jahren zunächst als Director Public Affairs zu Flix gekommen. „Es ist eine Schlüsselrolle, weil Flix weltweit in sehr regulierte Märkte expandiert“, sagt der 43-Jährige.
„Kommunikation ist einerseits möglichst strategisch, aber gleichzeitig schnelllebig, da regelmäßig Ad-hoc-Themen aufkommen.“ Malte Wienker © privat/Bearbeitung: Quadriga Media
Seit vergangenem Oktober leitet Wienker nun die gesamte Kommunikation und will Public Affairs und Kommunikation stärker miteinander verzahnen. „Es macht total Sinn, die Themen ganzheitlich zu denken“, sagt er. „Denn nicht immer, wenn Public Affairs meint, man müsse ein Thema groß spielen, passt das zu dem Zeitpunkt auch aus Sicht der Kommunikation. Umgekehrt sollte die Kommunikationsstrategie auch politische Ziele konsequent mitdenken.“ Darum helfe es sehr, wirklich gemischte Teams zu bilden. Wienker schätzt, dass jetzt etwa ein Drittel seiner Arbeitszeit auf Public Affairs entfällt. Dabei beschäftigt ihn derzeit Flixtrain am meisten, weil der Markt so stark reguliert ist. Er lebt in Berlin und ist deshalb auch selbst oft bei Gesprächen dabei. Viele Fragen im Verkehrssektor werden allerdings in Brüssel entschieden.
Schnelllebige Kommunikation
Kommunikation macht den größeren Teil der Arbeit seines Teams aus. „Kommunikation ist einerseits möglichst strategisch, aber gleichzeitig schnelllebig, da regelmäßig Ad-hoc-Themen aufkommen“, sagt Wienker. Darum stellt er gerade das Krisenmanagement breiter auf. Rund 25 Personen sind im Headquarter für Kommunikation und Public Affairs zuständig. Seine Kollegen beschäftigen sich auch mit der Nachhaltigkeitsstrategie, denn das ist ebenfalls eine wichtige Botschaft für Flix: Das Unternehmen will für nachhaltige Mobilität stehen. Der eigene Anspruch lautet, günstige kollektive Mobilität anzubieten und damit neue Zielgruppen für Bus und Zug zu gewinnen.
Mit ihren internationalen Kollegen sind Wienker und sein Team in engem Austausch: Alle zwei Wochen gibt es einen Jour fixe, an dem auch die Kommunikator*innen aus den lokalen Büros weltweit teilnehmen. Das sind dann noch einmal rund 30 Personen in der Kommunikation und 15, die Lobbyarbeit machen. Wienker sagt: „Wir verstehen uns als ein Team. Das ist ein sehr internationales Arbeiten.“ Das Headquarter-Team verteilt sich auf Berlin, München, Brüssel, Mailand und Zagreb. „Darum ist es auch meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass das Team nicht zerfasert. Da habe ich eine starke Managing-Funktion.“
Eines der aktuell wichtigsten Themen für Flix ist der Start in Mexiko, dem drittgrößten Busmarkt der Welt. Auch hier wollen sie wieder die zentralen Botschaften des Unternehmens herausstellen, sagt Wienker: Nachhaltigkeit, Technologie-Revolution, günstiges Reisen für alle. Zu einem Krisenthema ist die Sicherheit der Busse geworden. Mehrfach gab es schwere Unfälle. Für Aufsehen sorgte ein weiterer Fall: Zwei bei einem Subunternehmen angestellte Fahrer sollen eine Tour von Berlin nach Paris betrunken angetreten haben. An Bord war eine Schulklasse, die das Fahrerduo bei Potsdam zum Anhalten bewegen konnte.
KoRo: Transparenz auch bei kritischen Fragen
Als Natalie Wendt zu KoRo kam, war ihre Stelle gerade neu geschaffen worden. Als PR-Managerin bei dem auf Nüsse und Snacks spezialisierten Start-up ist sie für viele erste Ansprechpartnerin bei allen Fragen, die das Unternehmen betreffen.
Dass KoRo aus dem Black Friday einen Beige Friday gemacht hat, ist aus Kommunikationssicht konsequent. Schließlich will das Start-up für eine transparente Preispolitik stehen. In Blogartikeln haben die Berliner schon häufiger ausführlich erklärt, wie ihre Preise zustande kommen oder warum sie diese erhöhen. „Ein einziger Tag, an dem es plötzlich ganz viel Rabatt gibt, macht für uns keinen Sinn“, sagt Wendt. „Wir wollen konstant faire Preise bieten.“ So ähnlich erklärten den Ansatz am Black Friday auch Tommi aus dem Social-Media-Team und CFO Daniel in einem Video auf Linkedin – in braunem und beigem Oberteil, den KoRo-Verpackungsfarben.
Auch ihre Verpackungen erläutern die Berliner immer wieder ausführlich. Die Idee von KoRo ist nämlich, all seine Nüsse, Nussmuse, Trockenfrüchte und Snacks in Großpackungen und schlichtem Design auszuliefern, um so faire Preise anbieten zu können.
„Lesen sich die Leute einen dreiseitigen Blogartikel durch?“ Natalie Wendt © Melanie Greim
„Natürlich kann man sich fragen: Lesen sich die Leute einen dreiseitigen Blogartikel durch? Oder muss man solche Themen vielleicht ein bisschen runterbrechen?“, sagt Wendt. „Aber wir wollen ihnen zumindest die Möglichkeit bieten, alles nachzulesen.“ Daran, dass KoRo nach seiner Gründung vor zehn Jahren ursprünglich Waschmittel vertrieben hat, erinnert nur noch die URL „korodrogerie.de“. Ziel des Unternehmens ist es heute, Europas Nummer eins für haltbare Lebensmittel zu werden.
Ein Fokus auf Nachhaltigkeit
Das Thema Nachhaltigkeit spielt das Start-up dabei breit aus. Schließlich sparen Großpackungen auch Verpackungsmüll. Aber: Viele KoRo-Produkte stecken eben doch in Plastikverpackungen, was auch immer wieder Kunden ansprechen. Auch hier versuchen Wendt und ihre Kollegen aus dem Marketing, Prozesse und Entscheidungen zu erklären: Der frühere CEO und Gründer Piran Asci erklärte zum Beispiel in einem Podcast, dass Papierverpackungen für Lebensmittel mit Plastik beschichtet und darum häufig schlechter recycelbar seien als die Alternativen, die komplett aus Kunststoff bestehen.
Wendt ist die einzige Person in dem Start-up, die sich um Medien und Fachpresse in Deutschland, Österreich und die Schweiz kümmert. Sie ist der Marketing-Abteilung angegliedert, zu der Bereiche gehören für Content, Sponsoring, Brand, Social Media und Customer-Relationship-Management. Dazu kommen Teams für die einzelnen Länder, zum Beispiel Frankreich und Italien. Mit ihnen stimmt sich Wendt regelmäßig ab. Oft hat sie auch mit dem Social-Media- und dem Brand-Team zu tun. Sie betreut den Linkedin-Kanal, auf dem es vorrangig um Unternehmensthemen geht. Aber auch die Kolleginnen und Kollegen aus dem Sponsoring zieht sie öfter zu Rate. Zum Beispiel dann, wenn zur Debatte steht, ob ein Influencer gegen die Werte der Firma verstößt.
„Meine Aufgabe ist es in solchen Fällen abzuschätzen, welche Auswirkungen das haben könnte“, sagt sie. KoRo arbeitet ständig mit mehreren hundert Influencerinnen und Influencern gleichzeitig zusammen, berichtet Wendt. Die Briefings hat sie mitverfasst. Für Fragen, die das Unternehmen betreffen, ist sie für viele Kollegen die erste Ansprechpartnerin. Nach dreieinhalb Jahren ist sie schon länger dabei als viele ihrer Kolleginnen und Kollegen.
Aber natürlich geht es in der Kommunikation von KoRo nicht nur um Fakten zu Verpackungen, Preisen, Einzelhandel und Finanzierungsrunden. Leichtere Inhalte wie Koch-Content oder eine Saft-Challenge gehören ebenfalls dazu. Und auch über einen Fail aus dem Marketing-Team haben Wendt und ihre Kollegen ein Video gemacht. Als es vor knapp zwei Jahren einen KoRo-Haferriegel im Bordbistro der Deutschen Bahn gab, fiel ihnen auf: Das Logo fehlt! „Viele sagen uns bis heute nach, wir hätten das absichtlich gemacht, um Aufmerksamkeit zu erzeugen“, lacht Wendt. „Aber nee, das war einfach typisch Start-up.“
Enpal: Kontroverse um die Wärmepumpe
Boris Radke ist seit März 2023 Chief Communication Officer beim Solar-Start-up Enpal in Berlin. Für 2025 hat er sich vorgenommen, stärker auf Kampagnen zu setzen.
Eigentlich kann Boris Radke zufrieden sein. Für ihn ist sein Arbeitgeber Enpal schon heute Ansprechpartner Nummer eins in Sachen Energiewende: „Wir haben durch kontinuierliche Medienarbeit mit allen Leitmedien, kontinuierliches Stakeholdermanagement mit der deutschen und europäischen Politik und den ständigen Austausch mit der Wissenschaft unsere Rolle als Umsetzer der Energiewende in Deutschland geformt.“ Doch der Kommunikationschef hat noch große Pläne für das 2017 gegründete Solar-Start-up.
Radke verantwortet mit seinem 16-köpfigen Team seit 2023 die Bereiche Kommunikation und Regulatorik. Mit seinem Wechsel zu Enpal wurde die Abteilung in ihrer heutigen Form erst gegründet. Vorher waren die Kommunikatoren im Unternehmen verstreut. Die Kollegin aus der internen Kommunikation war zum Beispiel bei HR untergeschlüpft. Heute gehören alle, die mit Kommunikation zu tun haben, zu Radkes Teams.
Enpal tritt hauptsächlich als Vermieter von Solaranlagen und Wärmepumpen in Erscheinung. Es ist ein auf dem politischen Parkett kontrovers diskutiertes Thema. Das sogenannte Heizungsgesetz und die damit verbundene Kommunikation rund um die Wärmepumpe waren einer der größten Streitpunkte in der Ampelkoalition. Die Akzeptanz der beispielsweise in skandinavischen Ländern deutlich stärker verbreiteten Technologie hat dadurch gelitten.
Erklärende Formate
Es geht um Förderung, Ausbau, neue Gesetze und ganz viel Parteipolitik. Das wirkt sich auch auf Radkes Arbeit aus. Das Thema polarisiere viele Menschen, sagt er. Deswegen setzt Enpal bisher vor allem auf erklärende Formate. Die Menschen sollen den Produkten vertrauen. Das sei für Enpal besonders wichtig, weil sich die Kunden bis zu 20 Jahre an das Unternehmen binden. Ein Investment in eine Solaranlage kostet einiges. Die Ausgabe will wohlüberlegt sein.
Enpal will seinen Kunden mit reichlich Informationen ein gutes Gefühl geben. Es gibt Videos wie „Wärmepumpen. Einfach erklärt!“ Immer mal wieder streuen die Kommunikatoren auch unterhaltsame Beiträge ein. Zum Beispiel vergleichen sie in einem Post den Stromverbrauch eines Fußball-EM-Spiels im Berliner Olympiastadion mit dem Stromverbrauch des Berliner Techno-Clubs Berghain. Das Ergebnis: Die Raver könnten mit der verbrauchten Fußball-Strommenge 600 Stunden durchfeiern. Aber auch auf Linkedin passiert so einiges. Autor und Aktivist Wolfgang Gründinger ist dort als offizieller Chief Evangelist (quasi der Innovations-Botschafter) sehr aktiv. Er lädt zu Talkrunden bei Enpal ein, teilt positive Berichte über seinen Arbeitgeber und posiert gerne im Firmenhoodie.
„Wir müssen uns gegen brutale Lobbyinteressen der fossilen Energiewirtschaft durchsetzen.“ Boris Radke © Enpal
Das Image Enpals hat immer wieder mal Kratzer bekommen. In der Presse gab es neben positiven und neutralen Berichten auch anklagende Artikel über Kundenbeschwerden und die aggressive Verkaufsstrategie. Die Firmenkultur soll sehr vom Sales-Gedanken mit entsprechend Druck geprägt sein, berichtete „Capital“.
Im vergangenen Jahr leistete sich das Unternehmen einen Fail. Als Wirtschaftsminister Robert Habeck in Deutschland auf Werbetour für die Wärmepumpe unterwegs war, postete Enpal das Bild eines Firmenvertreters in Habecks Regierungsflieger und freute sich, dass die Nachfrage nach Wärmepumpen rasant steigt. Medien stellten die Frage, ob zwischen der Wärmepumpen-Branche und dem Minister nicht zu viel Nähe besteht. Enpal löschte das Foto wieder. Für Aufmerksamkeit sorgte ein Firmenbesuch von CDU-Chef Friedrich Merz. Die Union wettert öffentlich bis heute gegen das Gebäudeenergiegesetz und damit gegen die Wärmepumpe.
„Jeder Fehler erzeugt ein Medienecho“
Der kritische Umgang von Medien mit Enpal ist aus Radkes Sicht ein normales Phänomen für ein junges Unternehmen – auch wenn die Firma mittlerweile rund 3.000 Mitarbeiter hat. „Als neues Unternehmen auf dem Markt werden wir besonders argwöhnisch beäugt. Jeder Fehler, der bei einem Kunden passiert, erzeugt bei uns kritische Nachfragen und ein Medienecho. Wenn das beim Handwerker nebenan vorkommt, kriegt das niemand mit. Das verzerrt die Wahrnehmung.“ Als Grund zur Sorge sieht er das nicht. Radke arbeitete früher unter anderem bei Zalando. Medien gingen damals wenig zimperlich mit dem E-Commerce-Unternehmen um.
Der Kommunikator will mit seinem Team nun noch stärker mit Kampagnen arbeiten. „Wir müssen uns gegen brutale Lobbyinteressen der fossilen Energiewirtschaft durchsetzen“, sagt er. „Deshalb müssen wir unsere Themen bündeln und alle Kanäle nutzen, die uns zur Verfügung stehen, damit wir unser Publikum auch wirklich erreichen und nicht nur wild Botschaften in die Welt entsenden.“ Seine Kernbotschaften: Enpal ist Partner des Handwerks, Markt- und Technologieführer. Das sollen künftige Kampagnen unterstreichen. Enpal ist einem Statista-Ranking von 2023 zufolge das umsatzstärkste europäische Unternehmen in der Solarindustrie.
Für dieses Jahr steht das Kampagnenthema Direktvermarktung an. Heißt: Haushalte, die mit einer Solaranlage selbst Strom erzeugen, bekommen dann nicht mehr nur die geringe Einspeisevergütung des Netzbetreibers. Stattdessen sollen sie ihren selbst erzeugten und überschüssigen Strom direkt am Strommarkt verkaufen können und so zum Beispiel höhere Preise erzielen. Diese Kampagne soll sich durch alle Enpal-Kanäle ziehen. Radke will sie aber auch bei Verbänden, in den Medien, auf Social Media und natürlich in der Politik platzieren.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Strategie. Das Heft können Sie hier bestellen.