Nachhaltigkeitsregeln: Bürokratie versus Backlash

CSR-Kommunikation

Das Commitment der Europäischen Union (EU) ist klar: Der Klimawandel soll bekämpft, die EU bis 2050 klimaneutral werden. Um das zu erreichen, hat die EU eine Reihe von Gesetzen und Initiativen erlassen, geeint durch die Grundidee, die nachhaltige Transformation durch mehr Transparenz und Wettbewerb zu fördern.  

Politisch herrscht bei einigen zentralen Vorgaben jedoch substanzielle Unsicherheit. Die Implosion der Ampel-Regierung, der daraus resultierende Wahlkampf, der politische Wandel in den USA sowie Sorgen aufgrund der konjunkturellen Lage, kumulieren in einem allgemeinen Backlash rund um das Thema Nachhaltigkeit.  

Der Status quo bei der CSRD 

Die europäische Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ist ein Stützpfeiler in der Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit. Mit einheitlichen und verbindlichen Vorschriften zum Nachhaltigkeitsreporting soll eine neue Ära beginnen. Mit der CSRD sollen Nachhaltigkeitskennzahlen für Unternehmen genauso wichtig werden wie das finanzielle Kennzahlen heute schon sind.

Bestehende Berichtspflichten werden in Breite und Tiefe deutlich ausgeweitet: In Deutschland werden mit der CSRD über die kommenden Jahre rund 15.000 Unternehmen berichtspflichtig. Von der Vorgängerregulierung, der Non Financial Reporting Directive, waren nur rund 500 Unternehmen betroffen. Darunter große Unternehmen, kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen. Diese 500 Unternehmen müssen in diesem Jahr ihre ersten CSRD-Berichte vorlegen. Zusätzlich erweitert die CSRD den Umfang der Berichterstattung deutlich und macht detaillierte Informationen über Nachhaltigkeitsaspekte aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance (ESG) erforderlich. So zumindest der Plan.  

Denn Deutschland hat es bislang nicht geschafft, die CSRD in deutsches Recht umzusetzen. Die Frist dazu lief im Juli 2024 ab, mit dem Ende der Regierungskoalition Anfang November schwand die Hoffnung auf eine zeitnahe Umsetzung endgültig. Das Ergebnis ist Unsicherheit. Große Unternehmen werden ihre Berichte vorlegen. Wie es dann mit der CSRD weitergeht, wann, ob und wie auch kleinere Unternehmen berichten müssen, ist derzeit unklar. 

Was passiert mit dem Lieferkettengesetz? 

Mit der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) will die EU Unternehmen dazu verpflichten, Menschenrechte und Umweltstandards entlang ihrer gesamten Liefer- beziehungsweise Wertschöpfungskette zu achten und entsprechende Sorgfaltspflichten zu erfüllen. Bis Sommer 2026 haben die Mitgliedsstaaten Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.  

Dennoch gibt es viel Streit um die CSDDD, der – nicht nur, aber auch – im Wahlkampf begründet liegt. In Deutschland gilt seit 2024 bereits das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das ähnliche Ziele, mit etwas anderem Umfang und Fokus, verfolgt. Das LkSG sollte an die EU-Regelungen angepasst werden, stattdessen gab es im vergangenen Jahr im Deutschen Bundestag mehrere Anträge, das LkSG abzuschaffen. Diese wurden zwar abgelehnt, aber auch Vertreter der Regierung hielten sich in ihrer Rhetorik hierzu nicht zurück: Das LkSG „kommt weg“ sagte Bundeskanzler Olaf Scholz im Oktober. Wirtschaftsminister Robert Habeck äußerte sich einige Tage zuvor und sprach davon „die Kettensäge anzuwerfen“ und „das ganze Ding wegzubolzen“. Passiert ist bislang nichts. Lediglich die zuständige Kontrollbehörde, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), hat angekündigt, die Einhaltung der Berichtspflicht erst ab dem 1. Januar 2026 kontrollieren zu wollen.  


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Verschlanken oder entkernen? 

Die Kritik an CSRD und CSDDD ist in ihren Grundzügen gleich. Der Tenor: Der Aufwand und die Belastung für Unternehmen sind zu groß, der resultierende Mehrwert vergleichsweise gering. Angeheizt durch den Wahlkampf in Deutschland werden auf EU-Ebene Änderungen diskutiert. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte einen sogenannten „Omnibus“ an. Sie wolle „von vielen verschiedenen Akten Themen“ nehmen, „um Berichterstattungspflichten zu verringern“. Ziel ist es, die Mitteilungspflichten für Unternehmen zusammenzufassen, die sich aus CSRD, CSDDD und der EU-Taxonomie – einem EU-Klassifizierungssystem für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten, – ergeben. Kurz gesagt: Die Pflichten sollen verschlankt werden. Oder möglicherweise entkernt? Der erste Vorschlag des Omnibusses soll kurz nach der Bundestagswahl am 26. Februar von der EU-Kommission vorgelegt werden. Derzeit verdichten sich die Anzeichen, dass der Omnibus gleich an mehreren Punkten ansetzen wird: Die Anzahl der Datenpunkte, die Unternehmen berichten müssen, könnte reduziert werden. Ebenso könnten die Parameter geändert werden, welche Unternehmen berichtspflichtig sind, sodass kleinere Unternehmen ausgeschlossen bleiben , und die Pflichten könnten um ein bis zwei Jahre verschoben werden. Schließlich deutet einiges darauf hin, dass die Pflichten für ein oder zwei Jahre ausgesetzt werden. Ob das nur für die Unternehmen gilt, die ab dem nächsten Jahr betroffen wären, ist aktuell unklar. 

Im deutschen Wahlkampf sind die Forderungen deutlich. Regierungsmitglieder von SPD und Grünen, darunter Wirtschaftsminister Robert Habeck, sowie Verkehrs- und Justizminister Volker Wissing forderten im Dezember in einem Brief an die EU-Kommission, die CSRD zu reformieren und die Berichterstattungspflichten um zwei Jahre zu verschieben. Unternehmen, die 2026 erste CSRD-Berichte vorlegen sollen, wären somit erst 2028 berichtspflichtig. Gleiches forderte Kanzler Scholz im Januar. Auch CDUChef Friedrich Merz drängt auf ein Aussetzen.  

Wie geht es nun weiter? 

Diese große Frage bleibt. Wie genau der Omnibus aussehen wird, darüber lässt sich bislang nur spekulieren. Auch innerhalb der Kommission gibt es Differenzen über die Ausgestaltung. Wie ernst die Forderungen deutscher Politiker sind, wird sich nach dem 26. Februar zeigen, wenn die Details des Omnibusses in möglichen Koalitionsverhandlungen diskutiert werden. Egal, wie die neue deutsche Regierung aussehen wird, sie muss schnellstmöglich Klarheit schaffen. Selbst aufwändige Bürokratie ist für Unternehmen besser als Unsicherheit.  

Auf EU-Ebene wackelt das Ziel der Klimaneutralität bislang nicht. Bei allen Änderungsvorschlägen wird regelmäßig betont: Der Grundgedanke von CSRD und CSDDD ist gut und wichtig. Die enthaltenen Informationen sind wichtig für die Finanzindustrie, für Geschäftspartner*innen und Konsument*innen. Darüber hinaus bieten sie den Unternehmen selbst aber auch großes Potenzial als Management-, Strategie– und Kommunikationstool. Denn in Zeiten einer Shareholder-Economy ist eine fundierte nicht-finanzielle Berichterstattung genauso wichtig wie Umsatz und EBIT.  

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