Licht am Anfang des Tunnels

Krisenkommunikation

Eine Wahl zum „Wirtschafts-Unwort des Jahres“ gibt es nicht. Analog zum bekannten Unwort des Jahres ließe sich ansonsten sehr gut auf den Punkt bringen, was Deutschlands Unternehmer beschäftigt. Für 2025 würde mit hoher Sicherheit der Begriff „Stellenabbau“ einen der vorderen Plätze belegen. Überall streichen Firmen Jobs. Mal sind es ein paar Hundert, manchmal mehrere Tausend. DHL Group, Siemens, Volkswagen – kaum ein Schwergewicht kann sich von dem Trend freimachen. Die schlechte gesamtwirtschaftliche Lage betrifft alle. Die durch die US-Regierung ausgelösten Zoll-Turbulenzen könnten die Entwicklung weiter verstärken.

Für die Kommunikationsabteilungen der Firmen bedeutet das viel Arbeit. Und vor allem: Schadensbegrenzung. Sobald ein Unternehmen verkündet, dass Stellen abgebaut werden, beginnt der PR-Hurrikan. Medienanfragen kommen rein: Warum wird den Leuten gekündigt? Hat die Führung etwa versagt? War die Strategie falsch? Lokalreporter fangen besorgte Mitarbeiter vor den Werkstoren ab. Heute kommen noch die sozialen Medien hinzu, über die sowohl die Betroffenen als auch alle Bürgerinnen und Bürger ihr Unverständnis und ihre Wut äußern können. Ein Imageschaden scheint fast garantiert.

Mit der richtigen langfristigen Strategie und geschicktem Vorgehen können Unternehmen den Schaden aber reduzieren oder im Idealfall sogar ganz verhindern. Einfach ist das nicht, aber es gibt Beispiele, die zeigen, wie es geht.

Der Kündigungs-Effekt

Dass Massenentlassungen für das Unternehmensimage ein Problem sind, ist nicht nur eine Binse, sondern knallharte Empirie. Erklären kann das Samuel Stäbler. Er ist Assistenzprofessor für Marketing an der niederländischen Universität Tilburg und hat gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern die Effekte untersucht, die große Stellenabbauten auf die öffentliche Wahrnehmung von Firmen haben. Dazu haben er und seine Kollegen Veränderungen im Markenimage analysiert, das für große Unternehmen regelmäßig vom Marktforschungsinstitut YouGov erhoben wird. „Im Durchschnitt verschlechtert sich das Markenimage um 18 Prozent“, sagt er. Und zwar nicht nur bei den direkten Betroffenen, also den Mitarbeitern zum Beispiel. Und auch nicht nur bei den eigenen Kunden, sondern auch in der breiten Masse. Heißt in der Praxis: Entlässt Volkswagen Mitarbeiter, denken auch BMW- und Mercedes-Kunden schlecht über den Autohersteller. „Was durchaus überraschend ist, denn Entlassungen beeinflussen das Produkt nicht“, so Stäbler.

Wie stark der Effekt in der Praxis ausfällt, hängt aber von mehreren Faktoren ab. Die allgemeine Nachrichtenlage ist relevant. Dominieren andere Themen gerade die Titelseiten, kann ein großer Stellenabbau auch mal untergehen.

Unternehmen können aber auch eine ganze Menge falsch machen. Social Media könne den negativen Effekt auf das Markenimage verstärken, erklärt Stäbler. Genauso wie Werbung. „Wenn eine Firma Leute entlässt, aber gleichzeitig viel Werbung schaltet, steigt der Effekt auf bis zu 24 Prozent“ sagt er.

Menschen empfinden eine kognitive Dissonanz zwischen den positiven Werbebotschaften und der negativen Berichterstattung über die Unternehmenslage. Auf Social Media sieht es ähnlich aus. „Normale“ Marketingposts während der Krise, als wäre nichts passiert, ziehen negative Reaktionen nach sich. Wer seinen Marketing-Stiefel auf Teufel komm raus auch parallel zu Entlassungen durchzieht, der schadet sich damit eher.


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Schweigen bringt nichts

Daraus den Schluss zu ziehen, einfach gar nicht zu kommunizieren, sei besser, ist ebenfalls falsch. Natürlich sollten Firmen erklären, warum es zu den Entlassungen kam. Und am besten einen Schuldigen präsentieren können. „Führen Unternehmen eine schlechte gesamtwirtschaftliche Lage an oder eine Pandemie, verzeihen die Konsumenten das eher“, erklärt Stäbler.

Auch Kai vom Hoff, Geschäftsführer bei der gleichnamigen Strategiekommunikationsberatung, hält nichts von Schweigen als Taktik. „Den häufigsten Fehler, den Unternehmen machen, ist zu spät oder zu plötzlich kommunizieren“, sagt er. Viele Unternehmen würden grundsätzlich nicht gerne über Probleme sprechen und die schlechte Nachricht herauszögern. „Dabei sollten sie den Menschen ruhig mal was zutrauen. Die lesen schließlich auch Zeitung oder informieren sich über Social Media“, mahnt vom Hoff. Seine Erfahrung: Was gerade Betroffene noch weniger verzeihen als den Stellenabbau an sich, sei eine lange Unsicherheit. Hören sie lange nichts aus der Führungsetage, während in der Presse schon über mögliche Entlassungen und Probleme spekuliert wird, steigert das nur ihre Wut.

Dann auf externe Faktoren zu verweisen, sei auch durchaus gangbar, meint er. Allerdings nicht allgemein. „Da müssen Führungskräfte schon klar kommunizieren und auf sprachliche Kapriolen verzichten“, sagt er. Eine unpersönliche Wortwahl und eine emotional distanzierte Sprache würden eher negativ aufgefasst, Begrifflichkeiten wie „Personalmaßnahme“ oder „Restrukturierung” etwa. Ansonsten kauft niemand die Geschichte von der Entlassung, für die niemand in der Firma wirklich was kann.

Strategisch sollten sich Firmen zwei Dinge vornehmen: den Stellenabbau möglichst sozialverträglich gestalten und gleichzeitig betonen, dass es einen Plan für die Zukunft gibt. „Die, die gehen, müssen anständig verabschiedet werden, und die, die bleiben, brauchen eine Zukunftsvision, an die sie glauben“, erklärt vom Hoff.

Das bedeutet: Wer den Stellenabbau kommuniziert, sollte zügig klarmachen, was für Angebote es für die Entlassenen gibt, etwa Weiterbildungsmaßnahmen. Und er sollte betonen, was man nun vorhabe und wie man sicherstellen will, dass das eigene Unternehmen langfristig wieder erfolgreich sein soll. Der Fokus könnte dann auf Investitionen liegen oder Zukunftsfeldern, die jetzt ausgebaut werden sollen. Wichtig dabei: bloß keine Versprechungen machen, die der Chef bei der nächsten Jahreshauptversammlung wieder einkassieren muss. „Wer einen Blankoscheck ausstellt – etwa dass es keine weiteren Entlassungen gibt – und den nicht einhalten kann, der ist kommunikativ verbrannt“, warnt Kai vom Hoff.

Im Umgang mit Entlassungen müssen Führungskräfte also gegen ihre ureigenen Instinkte handeln: Sie müssen den geplanten Stellenabbau rechtzeitig kommunizieren und können selbst denen, die im Unternehmen verbleiben werden, keine Jobgarantie auf Dauer geben. Denn gerade angesichts des schlechten Konjunkturumfelds ist sich wohl kaum ein Unternehmer sicher, dass der aktuelle Stellenabbau der letzte sein wird.

Wie man es aber dreht und wendet: Den Stellenabbau kann auch die beste Kommunikationsabteilung oder PR-Beratung nicht als gute Nachricht framen. Irgendwas bleibt immer hängen.

Samuel Stäbler und seine Co-Autoren haben immerhin festgestellt, wie sich der negative Imageeffekt reduzieren lässt. Eine Erkenntnis: Wer gute Krisen-PR betreibt, der kann ihn fast halbieren, auf etwa zehn Prozent. Und es gibt sogar Unternehmen, die fast unbeschadet durch den Stellenabbau gehen. Je stärker die Marke vorher war, desto weniger litt sie in der Krise. „Gerade Familienunternehmen glauben die Menschen eher, wenn sie eine Entlassung als unvermeidbar darstellen“, sagt Stäbler. Auch Firmen, die sich bisher als besonders sozial engagiert präsentierten, leiden weniger. Wer also kommunikativ gut vorgearbeitet hat, der profitiert in Krisenzeiten sehr.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Krise. Das Heft können Sie hier bestellen.