Ende September fand ein Autogipfel statt, der offiziell nicht Autogipfel heißen sollte. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sprach in einer Videokonferenz mit den Chefs von Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW, Zulieferern wie Bosch und ZF Friedrichshafen sowie Gewerkschaftsvertretern über die derzeit schwierige Lage für die Industrie. Auch der Verband der Automobilindustrie (VDA) nahm teil. Ein Thema war, mit welchen Anreizen die Politik den schleppenden Verkauf von Elektroautos ankurbeln kann. Auch die CO2-Flottengrenzwerte und das auf EU-Ebene vereinbarte Verbrenner-Aus sollen diskutiert worden sein.
Seitdem Volkswagen bekanntgegeben hat, möglicherweise Werke schließen und Stellen abbauen zu müssen, ist die Krise der deutschen Automobilindustrie für jeden greifbar. Sie nimmt viel Raum in der Wirtschaftsberichterstattung ein. Alarmstimmung herrscht nicht nur in Wolfsburg. ZF Friedrichshafen hat bekanntgegeben, in den nächsten vier Jahren bis zu 14.000 Arbeitsplätze allein in Deutschland abzubauen. Bei anderen Unternehmen sieht es kaum besser aus. Vor allem das China-Geschäft der Hersteller schwächelt.
Zu den Mitgliedern des VDA gehören mehr als 620 Hersteller und Zulieferer. Nach dem erwähnten Autogipfel veröffentlichte der Verband eine Pressemitteilung. „Wir erleben keine Krise der Automobilindustrie, wir erleben eine Krise des Standortes Deutschland“, ist eine der Hauptbotschaften. Zusätzliche stellte der VDA ein Zehn-Punkte-Papier für „eine klimaneutrale Mobilität“ bereit. Zentrale Punkte sind der Ausbau der Ladeinfrastruktur, Carbon Neutral Fuels und Anreize für Verbraucher. „Elektromobilität muss in der Gesamtbilanz einen klaren Kostenvorteil bieten“, lautet das Fazit der Industrie.
Setzen auf Elektromobilität
Die öffentliche Präsenz eines Verbandes profitiert meist davon, wenn sich eine Branche in der Krise befindet. Das mediale und politische Interesse am Thema „Auto“ ist enorm. „Uns erreichen zahlreiche Anfragen nationaler und internationaler Medien – von Leitmedien aus Deutschland, genauso wie von regionalen Tageszeitungen und Fachmedien“, erklärt VDA-Sprecher Simon Schütz.
Was ist notwendig, damit es den Herstellern wieder besser geht? Wie ist die deutsche Industrie in Geschäftsfeldern wie E-Mobilität und autonomes Fahren aufgestellt? Die Schwäche von Volkswagen wird selbst von US-Medien wie der „New York Times“ prominent aufgegriffen. Die Lokalpresse interessiert sich beispielsweise dafür, wie es um das regionale Ladenetz bestellt ist oder wie viele Arbeitsplätze in der Region an der Autoindustrie hängen.
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Schütz leitet beim VDA neben seiner Sprecherrolle seit März 2024 die Abteilung Presse & Digitales. Zwölf Personen sind hier beschäftigt. Neben der Kommunikations- und Medienarbeit fällt vor allem die Betreuung der digitalen sowie Social-Media-Kanäle in den Aufgabenbereich der Abteilung. Eine zentrale Botschaft des Verbandes: „Wir wollen, dass die Menschen sich für E-Mobilität entscheiden, wollen sie dafür begeistern“, sagt Schütz. „Elektromobilität ist der richtige Weg. Sie ist die zentrale Säule, um die Klimaziele zu erreichen.“
Im Gespräch mit KOM zeigt sich Schütz überzeugt davon, dass die deutschen Hersteller im Bereich Elektromobilität sehr gut aufgestellt sind und weltweit attraktive Fahrzeuge bieten. Problem: Im Vergleich zu chinesischen Modellen sind sie recht teuer.
Wer im September 2023 in München auf der IAA Mobility als der wichtigsten deutschen Branchenveranstaltung unterwegs war, konnte erleben, dass die deutschen Hersteller nicht mehr ihre PS-starken Verbrenner ins Schaufenster stellen, sondern die elektrischen Varianten selbst großer Limousinen und schneller Sportwagen. Neugierde des Publikums ist vorhanden, wenngleich es auch Berichte gibt, dass E-Auto-Kunden wieder auf Verbrenner umsteigen.
Aus Sicht der Branche stimmen die Rahmenbedingungen in Deutschland nicht. Zum 18. Dezember 2023 schaffte die Bundesregierung den Umweltbonus und damit die finanzielle Förderung von Elektroautos ab, weil ihr im Haushalt das Geld fehlte. Die Fahrzeuge von Herstellern wie Volkswagen, Audi, Mercedes-Benz und BMW wurden dadurch für den Kunden noch einmal teurer. „Der deutsche Markt für Elektro-Pkw (BEV, PHEV, FCEV) entwickelt sich im Jahresverlauf weiterhin unterdurchschnittlich“, schreibt der Verband in einer Pressemitteilung. „Nach neun Monaten wurden insgesamt 409.400 Einheiten neu registriert – 20 Prozent weniger als noch in Q1 bis Q3 des Vorjahres“, heißt es.
Der VDA kritisiert vor allem, dass die Politik die Ladeinfrastruktur nicht schnell genug ausbaue. Um das mit Zahlen belegen zu können, veröffentlicht der Verband als wichtiges Kommunikationswerkzeug ein Ladenetz-Ranking, das zeigt, wie viele Ladepunkte es in Städten und Landkreisen gibt und wie viele Fahrzeuge auf einen öffentlich zugänglichen Ladepunkt kommen. Zum 1. August 2023 waren es 21. Im Mai 2021 seien es nur 17 gewesen. Auch die steigenden Strompreise an den Ladesäulen hat der VDA als Problem ausgemacht. Die Tarife der Ladesäulenanbieter unterscheiden sich deutlich. Abrechnungen sind oft intransparent.
Struktur der Abteilung
Wie ist die Kommunikation des VDA aufgebaut? Inklusive Simon Schütz gibt es fünf Sprecherinnen und Sprecher, die jeweils für bestimmte inhaltliche Schwerpunkte verantwortlich sind: das Ladenetz-Ranking, Produkte und Wertschöpfung oder Fahrzeugtechnologien und Eco-Systeme. Abgetrennt von der Abteilung Presse & Digitales ist der Bereich „Kommunikation und Marketing“, der bis Ende des letzten Jahres von Janis Eitner geleitet wurde. Die Kommunikation zu Events wie der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) oder der gerade beendeten IAA Transportation für Nutzfahrzeuge ist hier angesiedelt.
Der Verband arbeitet mit einem CVD-System. Wie in Redaktionen übernimmt jeden Tag eine Sprecherin oder ein Sprecher die Rolle des Chefs vom Dienst, leitet die Morgenlage, koordiniert Medienanfragen und beobachtet alle aktuellen Meldungen und Entwicklungen – auch mit Blick darauf, wo mediale Aktivität angezeigt ist.
Darüber hinaus gibt es die digitale Redaktion, die sich vor allem um die Website sowie die Linkedin-Kanäle kümmert. Instagram soll bald dazukommen. X bespielt der VDA seit Januar 2024 nicht mehr aktiv. „Die Debattenkultur auf X ist nicht mehr zielführend. Da sehen wir keinen Mehrwert“, sagt Schütz. Auf Instagram ist eine Mischung aus aktuellem Content, generellen Auto- und Mobilitätsthemen und den Verbandsthemen geplant.
Auf Linkedin betreiben der Verband und VDA-Präsidentin Hildegard Müller jeweils eigene Accounts. Die frühere CDU-Bundestagsabgeordnete und Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin ist das prominenteste Gesicht des Verbandes nach außen. Viel Lob erhielt sie für einen Auftritt in der Sendung „Hart aber fair“, als sie einem AfD-Bundestagsabgeordneten entgegenhielt, welche negativen Auswirkungen die Umsetzung der Pläne seiner Partei für die deutsche Industrie hätten. Die sachliche Zurechtweisung wiederholte Müller kürzlich in der Sendung von Caren Miosga als sie AfD-Chefin Alice Weidel darauf hinwies, dass die von ihr geforderte nationale Abschottung und Abkehr von der EU eine Katastrophe für die Wirtschaft wäre.
Vor der Kamera
Neben Müller tritt vor allem Sprecher Simon Schütz in der Öffentlichkeit auf. Er steht oft selbst vor der Kamera, gibt O-Töne und Interviews. Im Rahmen des Autogipfels sprach Schütz mit dem „ARD-Morgenmagazin“ über die Ergebnisse. Auch bei ZDF, Welt TV, n-tv oder dem SWR war er kürzlich zu sehen – genauso wie in internationalen Medien wie zuletzt bei der BBC.
Der 34-Jährige kam Anfang 2021 von „BILD“ zum VDA und begann als Pressesprecher. Die Kommunikation lag zu diesem Zeitpunkt in den Händen von Lutz Meyer. Der erfahrene Agenturmanager hatte den Auftrag, über zwei Jahre die Kommunikation neu aufzusetzen, zu digitalisieren und vor allem dem Verband medial und politisch nach einigen schwierigen Jahren mehr Gehör zu verschaffen. Meyer verließ den Verband Ende 2022. Das sei von Anfang an so geplant gewesen, hieß es.
Schütz vertritt den Verband zudem in Diskussionsrunden – wie zum Beispiel während der IAA Mobility 2023 in einem Panel mit Aktivistengruppen wie Die Letzte Generation, Fridays for Future und Greenpeace. „Zum einen mache ich solche Termine und Interviews leidenschaftlich gerne, zum anderen schauen wir neben Verfügbarkeit auch auf die Zielgruppen. Wenn ein junges Publikum im Fokus steht, übernehme ich das häufiger“, sagte er. In Podiumsdebatten erzeugt es eine andere Wirkung, wenn der Industrievertreter ein ähnliches Alter wie die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer hat.
Dem VDA geht es darum, Diskussionen auch in die Gesellschaft zu tragen. Die Zukunft der Mobilität polarisiert und macht vielen Sorgen, so dass auch Parteien immer wieder Debatten lostreten, weil sie glauben, damit Wählerinnen und Wähler zu erreichen. Der VDA hat deshalb als Zielgruppe auch die allgemeine Öffentlichkeit, die dann wiederum die Politik zum Handeln bewegt.
Simon Schütz ist überzeugt, dass Kommunikation manchmal noch greifbarer sein kann. „Je nach Zielgruppe müssen wir eine einfachere Sprache nutzen, anschauliche und verständliche Bezugspunkte finden, die für jeden einen Alltagsbezug haben. Gelegentlich sind wir zu komplex“, sagt er. Geschichten sollen stärker an Beispielen erzählt werden. Ein künftiger Kanal deshalb: Instagram.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Visuell. Das Heft können Sie hier bestellen.