Das Ungewisse kommunizieren

Change-Kommunikation

Lisa M. seufzt auf. Die Klinikreform hat viel Unsicherheit in den Arbeitsalltag gebracht. Als Mitarbeiterin der Kommunikationsabteilung einer mittelgroßen Klinikgruppe erreichen sie täglich Anfragen von besorgten Kolleg*innen. Die Unsicherheit ist überall spürbar: Gerüchte über große interne Veränderungen machen die Runde. Ärzt*innen und Pflegekräfte fürchten um ihre Abteilungen. Und die Geschäftsführung hat selbst noch keine klaren Antworten. Lisa M. weiß: Ohne gezielte Kommunikation mit Führungskräften und Mitarbeitenden droht die Stimmung zu kippen. Doch fragt sich auch: Wie informiert man, wenn Fakten fehlen? Wie hält man das Vertrauen, wenn noch keine genaue Marschroute feststeht? Und wie bleibt man im engen Austausch mit besorgten Mitarbeitenden?

Kommunikationshoheit statt Spekulationen

Dieses Dilemma betrifft nicht nur Lisa M. aus dem Gesundheitssektor, ein Fall, der fiktiv ist, uns aber so ähnlich immer wieder in unserer Beratungspraxis begegnet. Unternehmen erfinden sich und ihre Geschäftsprozesse neu, führen digitale Plattformen ein, fusionieren, gliedern aus oder verändern Arbeitsstrukturen – und selten ist klar, was sich genau bis wann für wen verändern wird.

Betrachten wir zunächst, was in Veränderungsphasen passiert. Nach Erkenntnissen der Forschenden Elisabeth Kübler-Ross und Richard K. Streich folgen Menschen einem klaren Muster:

  1. Schock: „Was bedeutet das für mich?“
  2. Ablehnung: „Das wird niemals funktionieren.“
  3. Rationale Einsicht: „Okay, es passiert – aber wie?“
  4. Emotionale Akzeptanz: „Ich bin skeptisch, aber offen.“
  5. Ausprobieren: „Wie kann ich mich einbringen?“
  6. Erkenntnis: „Das macht Sinn – ich kann damit arbeiten.“
  7. Integration: „Das ist der neue Alltag.“

Für die Unternehmenskommunikation bedeutet das, Mitarbeitende frühzeitig einzubinden, etwa durch Testgruppen und Feedbackschleifen. Regelmäßige Updates über Fortschritte und Hindernisse verhindern Frust. Schulen Sie Ihre Führungskräfte als Vermittler, um Unsicherheiten aufzufangen und für Kontinuität zu sorgen.

Vertrauen durch Klarheit

Ein Fehler, den unserer Erfahrung nach viele Organisationen machen, ist, dass sie entweder auf ständige Status-Updates setzen (zu viel Prozess, zu wenig Ergebnis) oder sie erst kommunizieren, wenn es fertige Entscheidungen zu präsentieren gibt (zu viel Ergebnis, keine Mitnahme).

Transformation gleicht jedoch eher einer Serie mit Übergängen, nicht einem abgeschlossenen Kinofilm. Es braucht daher eine kluge Kombination aus Beidem:

  • Prozesskommunikation, die kontinuierlich informiert, einbezieht und Gerüchte verhindert.
  • Ergebniskommunikation, die Sicherheit gibt, Erfolge zeigt und motiviert.

Wir beobachten, dass viele Unternehmen zu spät oder zu zögerlich kommunizieren – oft aus Angst heraus, noch mehr Unsicherheit zu schüren oder weil die zu vermittelnden Fakten noch fehlen. Doch Schweigen verstärkt die Ungewissheit. Mitarbeitende deuten Lücken in der Kommunikation oft als schlechtes Zeichen. Das befeuert Spekulationen. In Krisenzeiten liegt die Kommunikationshoheit klar bei der Unternehmenskommunikation. Das muss auch für Transformationsprozesse gelten.


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Wir empfehlen für die Change-Kommunikation einen Dreiklang aus Information, Thematisierung von Emotionalem und Befähigung. Denn in Transformationen brauchen wir nicht nur die Information selbst („Wir implementieren eine neue Software“), sondern auch die Befähigung zur Umsetzung („Wir planen neue Workshops für alle, die mit der neuen Software arbeiten“) und die Emotionalisierung des Themas („Hier ein Foto unseres Planungsmeetings, freut Euch auf ein tolles Erlebnis!“).

Wer erst spricht, wenn alles entschieden ist, riskiert Unsicherheit und Gerüchte. Stattdessen braucht es eine klare Botschaft: „Wir wissen noch nicht alles ganz genau, aber wir halten euch auf dem Laufenden.“ Das schafft mehr Vertrauen als Schweigen.

Das richtige Maß finden

Eine Faustformel für die Anzahl der Prozesskommunikationen gibt es nicht. Eines lässt sich jedoch sagen: Als zu viel beziehungsweise zu wenig Information empfinden die Mitarbeitenden es, wenn überproportional viel aus einem der drei Segmente kommt, also aus der Informations-, Emotionalisierungs- oder Befähigungs-Richtung. Sind alle Segmente im Gleichgewicht, können Phasen mit besonders hoher oder niedriger Informationsdichte besser ausgeglichen und die Themen gut verständlich kommuniziert werden – und niemand fühlt sich vergessen oder überfordert.

Auch kleine Fortschritte verdienen Sichtbarkeit. Erfolgsgeschichten und Meilensteine zeigen, dass Veränderung nicht abstrakt bleibt, sondern voranschreitet.

„Endlich!“ Lisa M. lehnt sich zurück. Erstmals seit Monaten hat sie das Gefühl, dass die Kommunikation zur Klinikreform in die richtige Richtung geht. Dass sie nicht zu jedem Zeitpunkt alle Antworten parat hat, verunsichert sie nicht mehr. Sie weiß, dass es wichtiger ist, ihr Unternehmen als verlässliche Informationsquelle und vertrauenswürdigen Ansprechpartner darzustellen. Und das bisherige Resultat gibt ihr recht: Das Vertrauen in der Belegschaft ist spürbar gestiegen. Der Flurfunk hat abgenommen. Es ist wieder mehr Ruhe in den Arbeitsalltag eingekehrt.

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